Mit Kindern über die Erkrankung sprechen
In der Mehrzahl der Fälle tritt ALS eher bei älteren Menschen auf. In der eigenen Not und Überforderung kann leicht übersehen werden, dass auch Kinder erfahren müssen, auf welche Weise Sie, als ihre geliebten Eltern oder Großeltern, von der Erkrankung betroffen sind. Die Erkrankung wirkt sich auf die ganze Familie aus. Familienangehörige sollten sich Zeit nehmen, sich mit den Auswirkungen der Erkrankung auf die Kinder zu befassen. Hierfür können Sie sich professionelle Unterstützung holen.
Sowohl Erwachsene, als auch Kinder sind in beunruhigenden Situationen Gefühlen wie Ärger, Hilflosigkeit, Angst, Hoffnung und Verzweiflung ausgesetzt. Kleine Kinder können sich noch nicht sprachlich äußern und agieren so ihre Gefühle auf anderen Ebenen aus. Sie können verändertes Verhalten zeigen, drücken ihre Gefühle häufig im Spielen oder Malen aus. Auch älteren Kindern fällt es oft schwer, über ihre Gefühle zu sprechen. Nicht alle Jugendlichen haben Freunde oder Bezugspersonen, mit denen sie über so ernste Situationen sprechen können. Sorgen und Belastungen zeigen sich bei Kindern jeden Alters in Veränderung der Emotionen und des Verhaltens sowie in körperlichen Symptomen. Kinder scheuen sich oft, Fragen zu stellen, wenn sie die Aufgeregtheit der Erwachsenen erleben. Gleichzeitig verfügen sie meist nicht über andere Wege, Informationen und Antworten zu finden. Die meisten Menschen haben das Bedürfnis, Kinder vor schweren Themen zu schützen. Nicht darüber zu sprechen, macht es aber nicht einfacher. Kinder spüren genau, wenn etwas nicht stimmt und sind dann beunruhigt.
Bei Krankheit und tiefgreifenden Veränderungen in der Familie ist es wichtig, Kindern und Jugendlichen alles nach und nach so gut wie möglich zu erklären. Kinder neigen dazu, sich für die Traurigkeit zu Hause verantwortlich oder gar schuldig zu fühlen. Daher sollten Kinder wissen, dass sie Fragen stellen dürfen. Falls Sie sich als Eltern nicht dazu in der Lage fühlen, sollten Sie dafür sorgen, dass das Kind einen Verwandten, Freund, Arzt oder Therapeuten als Ansprechpartner hat, nicht nur für ein Gespräch über die Erkrankung, sondern für alle Fragen oder Sorgen, die Ihr Kind bewegen.
Es kann sein, dass ein Kind genau wissen will, um was für eine Krankheit es sich handelt, ob es selbst auch diese Krankheit bekommen kann und was mit der erkrankten Person passieren wird. Diese Fragen sollten ehrlich und so positiv wie möglich beantwortet werden.
Kinder machen sich Sorgen um die erkrankte Person in der Familie und trauern anders als Erwachsene. Sie leben stark im Moment und stellen in dieser Situation für Erwachsene oft überraschende Fragen. Diese betreffen vielleicht ihren Alltag: Müssen sie umziehen, wer wird für sie sorgen, von welchen Freunden und Gewohnheiten müssen sie sich trennen oder steht ein Schulwechsel an? Ihre Angst vor solchen Veränderungen kann so groß sein, dass sie sich nicht trauen, darüber zu sprechen. Sie sollten Ihren Kindern möglichst viel Sicherheit geben und ihnen jegliche geplante Veränderung für ihren Alltag frühzeitig mitteilen. Auch sehr kleine Kinder spüren die Veränderung, können aber sachliche Erklärungen noch nicht verstehen. Liebe, Aufmerksamkeit und körperliche Zuwendung geben ihnen in der aktuellen Situation Geborgenheit.
Was Kindern hilft...
- Kinder brauchen besondere Zuwendung und Aufmerksamkeit, wenn ein Elternteil an ALS erkrankt ist. Das kann auch bedeuten, dass Sie die Großeltern, andere Familienmitglieder oder gute Freunde um Hilfe bitten.
- Kinder sollten wissen, dass Veränderungen im Erscheinungsbild nicht bedeuten, dass sich die Gefühle der erkrankten Person ihnen gegenüber geändert haben. Schützen Sie Kinder gegebenenfalls vor starken emotionalen Schwankungen der erkrankten Person.
- Gestatten Sie auch den Kindern Auszeiten. So wie die Erwachsenen in der Pflege, brauchen auch sie Pausen, in denen sie unbeschwert Spaß haben dürfen.
- Ermutigen Sie die Kinder immer wieder, ihre Gefühle auszudrücken.
- Aufrichtigkeit: Weichen Sie Fragen nicht aus und sprechen Sie offen und ehrlich mit den Kindern. Kindern spüren sofort, wenn Eltern ihnen nicht die Wahrheit sagen und könnten das Vertrauen verlieren.
- Angemessenheit: Die angebotenen Informationen sollten altersgemäß sein, so dass die Kinder sie verstehen können. Machen Sie sich den Entwicklungsstand des Kindes klar, zu frühe abstrakte Informationen verwirren Kinder. Bevor Sie mit der Beantwortung einer Frage loslegen, nehmen Sie sich etwas Zeit herauszufinden, worum es genau in der Frage geht (z. B. bedeutet die Frage eines kleinen Kindes, ob es dem gerade gestürzten Vater gut gehe wahrscheinlich nur: „Ist er verletzt? Braucht er Hilfe?“).
- Kleine Portionen: Informationen können von Kindern am besten dosiert aufgenommen werden. Sie zeigen uns, und wenn wir aufmerksam zuhören merken wir es auch, wenn sie genug gehört haben und kehren zu einem späteren Zeitpunkt zu ihren Fragen zurück. Es ist nicht notwendig, die „ganze Wahrheit“ auf einmal zu eröffnen.
- Ruhige Gesprächsatmosphäre: Sorgen Sie dafür, dass Sie in Ruhe und ungestört mit Kindern sprechen können. Bereiten Sie sich auf das Gespräch vor.
- Einige wichtige Haltungen und Einstellungen, die Sie Ihren Kindern vermitteln sollten sind Akzeptanz und Respekt für das erkrankte Familienmitglied. Vermitteln Sie Hoffnung und Zuversicht. Niemand trägt Schuld für die Erkrankung. ALS ist keine Strafe. Die Erkrankung darf verwirren und beunruhigen und ist schwer zu verstehen.