Kognitive Veränderungen

Von: PD Dr. rer. nat. Dorothée Lulé
PhD Fachbereich Neuropsychologie Neurologische Klinik der Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm (RKU)

Vor Beginn oder im Verlauf der ALS-Erkrankung kann es bei einem Teil der Patienten zu organisch bedingten kognitiven Veränderungen sowie Veränderungen des Verhaltens kommen. Aktuellen Studien zufolge wurden bei etwa der Hälfte der Studienteilnehmer leichte kognitive Einschränkungen festgestellt. Dabei wurden in einzelnen Untersuchungen Veränderungen nachgewiesen (z. B. beim Aufsagen von Wörtern mit einem bestimmten Anfangsbuchstaben), die aber im Alltag nicht zwingend auffielen. Bei ca. 30 % der Studienteilnehmer waren die Veränderungen weitreichender und umfassten verschiedene kognitive Funktionen. Als kognitive Funktionen werden in der Psychologie das menschliche Denken, die Wahrnehmung, das Fühlen, das Urteilen, das Wollen und das Handeln bezeichnet. (Online-Lexikon: siehe unten bei Abschnitt Weiterführende Informationen)

Nur ein sehr kleiner Prozentsatz (etwa 5 %) entwickelt im Verlauf der Erkrankung das Vollbild einer Frontotemporalen Demenz, bei der die Veränderungen, vor allem die des Verhaltens, deutlich hervortreten und den Alltag des ALS-Betroffenen und der Familien stark belasten können. Ursächlich für die Entstehung ist der Rückgang von Nervenzellen im Frontal- und Temporalhirn, dort werden u. a. das Lösen von bestimmten Aufgaben, die Emotionen und das Sozialverhalten kontrolliert.

Symptome

  • Krankheitseinsicht und Therapiemotivation können fehlen. Das wird z. B. sichtbar, wenn sinnvolle und lindernde Therapien abgelehnt werden.
  • Die Fähigkeit, die alltäglichen Aufgaben und Anforderungen nach ihrer Wichtigkeit einzuordnen (zu hierarchisieren), ist eingeschränkt, z. B. werden wichtige Termine nicht wahrgenommen und dringend anstehende Arbeiten nicht erledigt.
  • Gefahrensituationen durch die zunehmenden körperlichen Veränderungen werden fehleingeschätzt (z. B. Treppensteigen trotz erheblich erhöhtem Sturzrisiko).
  • Bisherige Gewohnheiten werden nicht verfolgt und der Antrieb und die Motivation, Tätigkeiten zu vollenden, fehlen (z. B. werden Hobbies vernachlässigt, stattdessen sitzt der Betroffene apathisch vor dem Fernseher).
  • Das Mitgefühl und / oder das Interesse an sozialen Kontakten nehmen ab, bis hin zum völligen Desinteresse und der Taktlosigkeit gegenüber Mitmenschen.

Wichtig

Die Auswirkungen sind unterschiedlich stark ausgeprägt und es müssen nicht alle benannten Einschränkungen bei jedem auftreten, oft sind es aber vor allem die Änderungen des Verhaltens und weniger die der Kognition, die direkte Auswirkungen auf den Alltag der Familie haben. 

Eine möglichst frühe Abklärung ist aus verschiedenen Gründen sinnvoll

  • Angehörige erfahren eine hohe emotionale Belastung. Eine Erklärung für die Veränderungen zu erhalten, kann gegenseitige Entlastung bringen.
  • Wichtige Entscheidungen können frühzeitig getroffen und delegiert werden und es kann Verständnis bei Außenstehenden geschaffen werden.
  • Genannte Symptome könnten auch durch andere Erkrankungen hervorgerufen werden (z. B. Depression), die eventuell behandelt werden können und sollten (z. B. durch Antidepressiva).

Wie können ALS-bedingte, kognitive Veränderungen, diagnostiziert werden?

Mit dem Edinburgh Cognitive and Behavioural ALS Screen (ECAS; Abrahams et al. 2013) steht ein Standard-Screening-Verfahren zur neuropsychologischen Untersuchung von Patienten mit ALS zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich zur Diagnostik an Ihre ALS-Ambulanz in einem Neuromuskulären Zentrum. 

Weiterführende Informationen