Pflege und Pflegeversicherung

Wenn das Thema Pflege aufkommt, stellen sich sowohl für Betroffene als auch für Angehörige viele Fragen. Viele Menschen wünschen sich im Pflegefall zuhause versorgt zu werden. Nicht immer ist dies gut möglich. Manchmal ist der Umzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung oder Wohngemeinschaft die passende Entscheidung. Wichtig ist es, sich mit den verschiedenen Möglichkeiten und Unterstützungsformen gut auseinanderzusetzen und beraten zu lassen.

Bedenken Sie, dass Pflege ein andauernder Prozess ist, in dem sich die Anforderungen immer wieder verändern, Lösungen verhandelt und oft Kompromisse gefunden werden müssen. Die Unterstützung in der Pflege kann und muss immer wieder situationsbedingt angepasst werden.

Hilfreiche Fragen vor Beginn der Planung

  • Wer soll, kann (körperlich, psychisch, zeitlich) und ist bereit zu pflegen? Möchte ich und kann ich von meiner Familie, meinem Partner oder Freunden gepflegt werden oder möchte ich auf die Unterstützung durch einen Pflegedienst zurückgreifen?
  • Bleibt neben der Pflege noch Raum für qualitative Familienzeit?
  • Wie ist die Pflege finanzierbar?
  • Ist die häusliche Pflege in den gegebenen Räumlichkeiten zu bewerkstelligen?

Leistungen der Pflegeversicherung für die pflegebedürftige Person

Ihr Ansprechpartner und wichtigster Kostenträger bei Pflegebedürftigkeit ist Ihre Pflegekasse. Sie ist an Ihre Krankenkasse angegliedert. Im Folgenden möchten wir Ihnen einen Überblick geben, welche Leistungen Sie von der Pflegeversicherung erhalten können.

Welche Voraussetzungen muss ich  erfüllen, um Leistungen der Pflegeversicherung zu beantragen?

Pflegebedürftig im Sinne des Gesetzes (Sozialgesetzbuch, elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung, SGB XI) sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit und Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer für voraussichtlich mindestens sechs Monate bestehen und wird in fünf Pflegegrade eingeteilt. 

Wann ist der richtige Zeitpunkt einen Antrag zu stellen?

Wenn Sie in einem der folgenden Bereiche in Ihrer Selbstständigkeit beeinträchtigt sind und Unterstützung benötigen, sollten Sie Beratung einholen und einen Antrag zu stellen:

  • Mobilität
  • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  • Selbstversorgung
  • Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
  • Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte Sie können Ihre Pflegebedürftigkeit im Internet mit einem Pflegerechner selbst einschätzen. Solche finden Sie unter dem Stichwort „Pflegegradrechner“. 

Wie stelle ich den Antrag?

Der Antrag kann zunächst formlos telefonisch, schriftlich oder persönlich gestellt werden. Antragsteller ist immer die pflegebedürftige Person selbst. Wenn Familienangehörige, Nachbarn oder Freunde dies übernehmen, muss eine Vollmacht vorliegen. Erst später müssen Sie genauer angeben, welche Leistungen Sie nutzen wollen. Die Formulare bekommen Sie von Ihrer Pflegekasse zugesandt, bei vielen Kassen kann man sie auch online herunterladen.

Tipps und Hinweise

Sämtliche Leistungen werden erst ab dem Monat der Antragstellung bezahlt. Stellen Sie den Antrag also so früh wie möglich. Legen Sie, falls vorhanden, ärztliche Bescheinigungen bei. Diese sollten nicht älter als ein Jahr sein und die vorliegende Erkrankung und den daraus entstehenden Pflegebedarf darstellen. Informieren Sie in jedem Fall Ihren behandelnden Arzt über den Antrag. Mit dem Antrag unterschreiben Sie eine Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht.

Wie wird die Pflegebedürftigkeit festgestellt?

Binnen 20 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags muss die Pflegekasse einen Termin für eine Begutachtung bei Ihnen zu Hause ermöglichen, bei dem die Pflegebedürftigkeit geprüft wird. Dieser Termin wird schriftlich angekündigt. Zu gesetzlich Versicherten kommt in der Regel ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), zu privat Versicherten ein Gutachter der Firma Medicproof.

Verkürzte Begutachtungsfristen gelten,

  • wenn sich der Versicherte zum Zeitpunkt der Antragstellung im Krankenhaus, einer stationären Rehabilitationseinrichtung oder einem Hospiz befindet und Hinweise vorliegen, dass zur Sicherstellung der Weiterversorgung eine Begutachtung innerhalb der Einrichtung vorgenommen werden muss
  • oder wenn die pflegende Person dem Arbeitgeber die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz angekündigt hat.

In diesem Fall muss die Begutachtung unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche, in der Einrichtung durchgeführt werden.

Der Gutachter muss Sie fragen, ob Sie sein Gutachten zugeschickt bekommen wollen. Nehmen Sie dies auf jeden Fall in Anspruch, damit Sie nachvollziehen können, wie die Einstufung oder ggf. auch Ablehnung durch die Pflegekasse zustande gekommen ist.

Bitte beachten Sie

Auf Grundlage des Gutachtens entscheidet die Pflegekasse (nicht der Gutachter!), ob und welcher Pflegegrad Ihnen zusteht. Lassen Sie sich beraten und legen Sie Widerspruch ein, wenn Sie mit dem Bescheid der Pflegekasse nicht einverstanden sind. Wenn sich Ihre gesundheitliche Situation verschlechtert, können Sie eine Höherstufung beantragen.

Wie werden die Leistungen der Pflegeversicherung erbracht?

Die Höhe der Leistungen hängt von dem jeweils bewilligten Pflegegrad ab.Pflegegeld erhalten Sie, wenn Angehörige oder ehrenamtlich tätige Pflegepersonen die Pflege übernehmen. Voraussetzung ist, dass die „körperbezogenen Maßnahmen“ (wie Waschen, Anziehen, Toilettengang) und die „pflegerischen Betreuungsmaßnahmen“ (wie Spazierengehen, Aufrechterhalten von sozialen Kontakten, Vorlesen) sowie die „Hilfen zur Haushaltsführung“ (dazu gehören Einkaufen, Kochen, Wäschewechsel) sichergestellt sind. Die Pflegekasse zahlt das Pflegegeld monatlich im Voraus direkt an die pflegebedürftige Person. Über den Betrag kann diese frei verfügen.

Entscheiden Sie sich für die Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst, rechnet dieser direkt mit Ihrer Pflegekasse ab, dafür beantragen Sie Pflegesachleistungen.

Beide Leistungsarten können auch miteinander kombiniert werden.

Leistungen für pflegende Angehörige und ehrenamtlich tätige Pflegepersonen    

Als Pflegeperson im Sinne der Pflegeversicherung gilt, wer mindestens 10 Stunden, verteilt auf mindestens zwei Tage pro Woche in häuslicher Umgebung pflegt. Pflegepersonen werden über die Pflegekasse renten- und unfallversichert. 

Die Leistungen für Pflegepersonen sollen dazu beitragen, die ambulante Pflege im häuslichen Umfeld zu sichern und aufrecht zu erhalten. Pflegepersonen sollen auf den Pflegealltag vorbereitet, im Pflegealltag entlastet und im Falle der Verhinderung (z. B. durch Krankheit oder Urlaub) vertreten werden. Auch eine vorübergehende stationäre Unterbringung der pflegebedürftigen Person kann finanziert werden. Die Leistungen für Pflegepersonen können kombiniert und individuell auf die jeweilige Situation angepasst werden. 

Verhinderungspflege

Voraussetzung ist, dass die versicherte Person mindestens in Pflegegrad 2 eingestuft ist und seit mindestens 6 Monaten in häuslicher Umgebung von einer privaten Pflegeperson gepflegt wird. Die Verhinderungspflege kann stunden- oder tageweise in Anspruch genommen werden. Der Grund der Verhinderung ist nicht ausschlaggebend. 

Die Pflegeversicherung gewährt Leistungen der Verhinderungspflege bis zu 6 Wochen im Kalenderjahr. Wenn Sie die Verhinderungspflege beispielweise in Anspruch nehmen, um in den Urlaub zu fahren, wird das Pflegegeld für die Dauer der Maßnahme zur Hälfte weiter bezahlt. Die Hälfte des Anspruches von Leistungen auf Kurzzeitpflege kann zusätzlich auf die Verhinderungspflege übertragen werden. Ein formloser Antrag genügt, manche Pflegekassen halten hierfür Formulare bereit. 

Falls es um eine vorhersehbare Verhinderung geht, ist es sinnvoll, dies im Vorfeld mit der Pflegekasse abzusprechen. Bei ungeplanten Ereignissen ist eine Beantragung auch nachträglich möglich.

Kurzzeitpflege

Während die Verhinderungspflege in der Regel ambulant durchgeführt wird, deckt die Kurzzeitpflege die Kosten für eine stationäre Unterbringung ab. Sie kann beantragt werden, wenn die häusliche Pflege zeitweise nicht oder noch nicht im erforderlichen Umfang sichergestellt werden kann. Es besteht ein jährlicher Anspruch von bis zu 4 Wochen Kurzzeitpflege in einer vollstationären Einrichtung, der mit Mitteln aus der Verhinderungspflege um weitere 4 Wochen aufgestockt werden kann.

Tages- oder Nachtpflege

Der Anspruch besteht, wenn die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang sichergestellt werden kann. Die Pflege kann dann entweder tagsüber oder in der Nacht in einer stationären Einrichtung erbracht werden.

Der Entlastungsbetrag

Versicherte der Pflegegrade 1 - 5, die zu Hause gepflegt werden, haben Anspruch auf einen monatlichen zweckgebundenen Entlastungsbetrag. Der Anspruch besteht zusätzlich und unabhängig vom Pflegegrad. Eingesetzt werden kann der Betrag für niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsleistungen, zum Beispiel für eine Haushaltshilfe. Die Leistungserbringer benötigen eine Anerkennung der zuständigen Behörde, damit der Betrag abgerechnet werden kann. Die Leistungen müssen beantragt und belegt werden. Nicht ausgeschöpfte Beträge eines Kalenderjahres können ins folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.

Familienpflegezeit

Zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf können Angehörige Familienpflegezeit in Anspruch nehmen. Dies bedeutet, dass Beschäftigte sich für die Pflege eines nahen Angehörigen bis zu 24 Monate teilweise von der Arbeit freistellen lassen können. Dies ist möglich in einem Betrieb ab 25 Mitarbeitern.

Pflegeunterstützungsgeld

Angehörige, die Zeit für die Organisation einer akut aufgetretenen Pflegesituation benötigen, können bis zu zehn Arbeitstage von der Arbeit fernbleiben. Hierfür erhalten Sie eine Lohnersatzleistung.

Pflegezeitgesetz

Für die Pflege eines nahen Angehörigen haben Beschäftigte einen Anspruch, sich für maximal sechs Monate vollständig von der Arbeit freistellen zu lassen oder in Teilzeit zu arbeiten.

Pflegekurse

Die Pflegeversicherung bietet pflegenden Angehörigen und ehrenamtlichen Pflegepersonen die Möglichkeit kostenlos an Pflegekursen teilzunehmen. Diese werden überwiegend von ambulanten Pflegediensten angeboten und können auch im häuslichen Umfeld stattfinden. Bei Interesse informieren Sie sich bitte direkt bei der Pflegekasse der ALS-erkrankten Person. Die Kurse umfassen theoretische und praktische Einheiten nach dem aktuellen Pflegestandard. Hierzu gehören das Erlernen wichtiger Handgriffe und Tipps zur Organisation der Pflege zu Hause, das Einüben von Mobilisierungs- und Lagerungstechniken sowie eine Einführung in Körperhygiene und Wundprophylaxe. Für die Teilnahme am Kurs kann auf Verhinderungspflege zurückgegriffen werden, die Sie auch stundenweise in Anspruch nehmen können.

Tipps für die Pflege zu Hause

  • Tagesablauf strukturieren und organisieren
  • Probezeit vereinbaren, nach einiger Zeit Vorgehen überprüfen und anpassen
  • Gefühle und Bedürfnisse wahrnehmen und äußern
  • allen Beteiligten persönliche Freiräume zugestehen
  • Auszeiten, regelmäßige Entlastung einplanen
  • Reserven schaffen für außerplanmäßige Eventualitäten
  • Netzwerke mit Verwandten und Freunden knüpfen und pflegen
  • Kinästhetik-Konzept lernen und anwenden
  • Transferhilfen und Hebelifter nutzen
  • Höhenverstellbares Pflegebett oder elektronisch verstellbarer Einlegerahmen
  • Spezielle Matratze zur Vorbeugung von Druckgeschwüren
  • Antirutschsocken- und Unterlagen für die aktivierende Lagerung im Bett
  • Bettwäsche mit einer glatten Oberfläche
  • Aufblasbares Haarwaschbecken für die Körperpflege im Bett
  • Unterstützung der Nahrungsaufnahme durch leichtes und individuell angepasstes Besteck 

Wer beantwortet Fragen rund um das Thema Pflege?

In vielen Bundesländern haben Pflegekassen und Kommunen sogenannte Pflegestützpunkte eingerichtet. Diese unabhängigen Beratungsstellen haben den gesetzlichen Auftrag, Sie umfassend zu allen Möglichkeiten der ambulanten und stationären Versorgung zu beraten. Die Beratung ist kostenlos. Sie können Pflegeberatung bereits im Vorfeld der Beantragung von Pflegeleistungen in Anspruch nehmen. Adressen erhalten Sie bei Ihrer Pflegekasse oder bei Ihrer Stadt- oder Gemeindeverwaltung. Manchmal sind Pflegestützpunkte an Seniorenbüros angesiedelt. Freie und kirchliche Träger der Wohlfahrt wie Caritas, Diakonie, Paritätischer Wohlfahrtsverband und AWO bieten ebenfalls häufig Pflegeberatung an.

Sobald Sie einen Antrag stellen, sind die Pflegekassen verpflichtet Ihnen eine Pflegeberatung anzubieten. Dieser Anspruch gilt für pflegende Angehörige genauso wie für ehrenamtliche Pflegepersonen. Die Pflegekasse wird Ihnen einen direkten Kontakt zu einem Pflegeberater für ein Beratungsgespräch vermitteln. Dieser Kontakt muss innerhalb von 14 Tagen zustande kommen. Die Beratung kann bei Ihnen zu Hause stattfinden. Oder die Pflegekasse stellt Ihnen einen Beratungsgutschein aus, den Sie bei einer unabhängigen Beratungsstelle einlösen können.

Für Privatversicherte gibt es die private Pflegeberatung „compass“. Auch dieses Angebot ist kostenlos, Hausbesuche sind ebenfalls möglich.

Weitere wichtige Ansprechpartner sind der Haus- bzw. Facharzt oder die behandelnde Klinik. Während eines stationären Aufenthaltes oder einer Reha-Maßnahme können Sie sich an den Kliniksozialdienst wenden. 

Information und Beratung zu Hilfsmitteln, die die Pflege erleichtern, erhalten Sie in der Pflegeberatung, bei Ihren Physio- oder Ergotherapeuten, Ihrem Sanitätshaus und auch in der Hilfsmittelberatung der DGM.

Allgemeine Fragen rund um die Pflege beantwortet das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit.

Was leistet die Pflegeberatung?

Die Beratung soll vor allem den individuellen Beratungs- und Hilfebedarf systematisch erfassen. Dann wird – auf der Grundlage des MDK-Gutachtens – ein Versorgungsplan erstellt. Dieser berücksichtigt alle Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung, die in Anspruch genommen werden können. Die Beratung informiert ebenfalls über Leistungen, die pflegende Angehörige entlasten. Auf Wunsch kann die Pflegeberatung die regionalen Versorgungs- und Unterstützungsangebote koordinieren.

Nach der Einstufung in die Pflegeversicherung können Pflegebedürftige mit dem Pflegegrad 1 halbjährlich einen Beratungsbesuch in Anspruch nehmen, bei Pflegegrad 2 und 3 ist dies verpflichtend. Bei Pflegegrad 4 und 5 muss vierteljährlich eine Beratung erfolgen. Diese Beratungsbesuche werden von zugelassenen Pflegediensten, Pflegeberatern der Pflegekassen oder unabhängigen Beratungsstellen durchgeführt. Sie sollen Unterstützung geben und die Qualität in der Pflege sicherstellen.

Weiterführende Informationen