Ernährung über eine PEG-Sonde

Dr. med. Johannes Dorst, Facharzt für Neurologie, Neurologische Klinik der Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm (RKU)

Durch die fortschreitende Schwäche der Schluckmuskulatur kann es im Verlauf der Erkrankung zu einer fortschreitenden Schluckstörung kommen, welche die normale Nahrungsaufnahme zunehmend erschwert und verhindern kann, dass ALS-Patienten eine ausreichende Kalorienmenge zuführen können. Dies ist bei ALS besonders wichtig, da eine Gewichtsstabilisierung bekanntermaßen dazu beiträgt, dass die Krankheit weniger rasch voranschreitet.
Darüber hinaus kann die Schluckstörung dazu führen, dass Speisereste in die Lunge gelangen und so die Entstehung einer Lungenentzündung begünstigen (Aspiration). Eine Lungenentzündung kann aufgrund des geschwächten Allgemeinzustands der Patienten im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein. Aus diesen Gründen kann es im Falle einer Schluckstörung empfehlenswert sein, eine Magensonde anzulegen, man spricht hierbei auch von einer „enteralen Ernährung“ oder „perkutanen endoskopischen Gastrostomie“ (Abkürzung „PEG“).
 

Enterale Ernährung

Enteral bedeutet, dass die Ernährung unter Umgehung des Schluckaktes direkt über den MagenDarm-Trakt erfolgt. Das erfordert den Einsatz von so genannten Ernährungssonden, über die Flüssigkeiten bzw. flüssige oder dünnbreiige Nahrung und auch Medikamente verabreicht werden können. Hierbei stehen verschiedene Ernährungssonden und Ernährungsnahrungen sowie verschiedene Infusions- und Pumpensysteme zur Verfügung. Kurzfristig, d. h. maximal über 14 Tage, kann die Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr über einen kleinen Schlauch erfolgen, der durch die Nase gelegt wird. Auf die Dauer ist dies jedoch unangenehm und erschwert zudem auch die Sprech- und Schlucktherapie durch den Logopäden.

Wegen ihrer technisch einfachen und sicheren Anlagemöglichkeit und der hohen Akzeptanz durch die Patienten hat sich deshalb die Anlage einer PEG-Sonde (siehe Bild unten) bewährt und ist mittlerweile die Methode der Wahl für die mittel- und langfristige Ernährung von ALS-Patienten mit einer Schluckstörung.

PEG-Sonde

Entgegen landläufiger Meinungen kann auch bei bestehender PEG-Sonde weiterhin Nahrung über den Mund aufgenommen werden, so dass die Lebensqualität durch Geschmackserlebnisse erhalten bleibt. Allerdings sollte das Schlucken von Speisen aus o. g. Gründen auf kleine Mengen beschränkt bleiben.

Ablauf der PEG-Anlage

Die Anlage einer PEG ist technisch einfach und sehr komplikationsarm. Sie erfolgt per Magenspiegelung, wobei unter örtlicher Betäubung ein kleiner Schlauch durch die Bauchwand in den Magen gelegt wird, über den dann die Ernährung erfolgen kann (siehe Bild unten). Die Prozedur dauert durchschnittlich 15 Minuten. Normalerweise ist für diese Maßnahme keine Vollnarkose notwendig.

Nach Einführen des Gerätes für die Magenspiegelung (Endoskop) über den Mund, die Speiseröhre und den Magen wird dieser durch Einblasen von Luft entfaltet. Ist das Licht des Endoskops dann von außen auf der Bauchhaut zu sehen, wird an dieser Stelle eine örtliche Betäubung mit einem Lokalanästhetikum, welches das Schmerz- und Berührungsempfinden für eine gewisse Zeit ausschaltet, durchgeführt. Anschließend wird über eine etwas dickere Nadel ein langer Faden in den Magen vorgeschoben. Dieser Faden wird mit einer kleinen Zange gefasst und durch Zurückziehen des Endoskops aus dem Mund herausgeführt. An das Fadenende wird nun die Ernährungssonde befestigt und durch Zug am anderen Fadenende über Mund, Speiseröhre und Magen durch die Bauchdecke herausgezogen. Eine kleine Rückhaltescheibe am inneren Ende im Magen sowie eine Gegenplatte auf der Bauchhaut verhindern das Herausrutschen der Ernährungssonde. Die Ernährung über die Sonde kann in der Regel nach einem Tag beginnen.

Bei entsprechender Pflege kann die Sonde über viele Jahre benutzt werden. Wird der Wunsch nach Entfernung geäußert, kann sie wieder herausgezogen werden. Der Stichkanal wächst dann von selbst wieder zu.

Ernährung über PEG-Anlage

Mögliche Komplikationen

Jeder Eingriff und jede Untersuchungsmethode bringt die Gefahr von Komplikationen mit sich. Das ist bei endoskopischen Untersuchungen sehr selten, jedoch nicht völlig ausgeschlossen. So kann es nach Anlage der Ernährungssonde zu einer Entzündung im Bereich der Einstichstelle oder des Bauchfells kommen. Um die Bildung einer solchen Entzündung zu erkennen, wird in der Regel empfohlen, dass die Patienten nach der PEG-Anlage noch einige Tage stationär beobachtet werden und Laborkontrollen erhalten. Im Falle ansteigender Entzündungswerte kann dann frühzeitig eine antibiotische Therapie erfolgen, womit sich die Entzündung in der Regel gut beherrschen lässt. Im schlimmsten Fall kann eine Entzündung des Bauchfells aber auch lebensbedrohlich sein. Um die Gefahr einer Entzündung von vornherein zu senken, erfolgt in den meisten Kliniken bereits vor dem Eingriff eine prophylaktische einmalige Gabe eines Antibiotikums.

Manchmal kommt es nach der PEG-Anlage zu Schmerzen in der Magengegend, die normalerweise nach einigen Tagen abklingen und durch Schmerzmedikamente gut beherrschbar sind. Relativ häufig kommt es in der Anfangszeit zu Stuhlunregelmäßigkeiten und Völlegefühl. Sollten diese Probleme auch im Verlauf noch anhalten, können häufig ein Wechsel oder eine langsamere Laufrate der Sondennahrung Besserung verschaffen.

Insbesondere Patienten mit eingeschränkter Atemfunktion können manchmal nach einer PEG-Anlage zunehmende Probleme beim Atmen bekommen. Deshalb ist es in solchen Fällen wichtig, dass noch vor der PEG-Anlage eine Heimbeatmungstherapie angepasst wird, die in einem separaten Kapitel beschrieben ist. Bei Patienten, die ständig auf Heimbeatmungstherapie angewiesen sind und bei denen früher eine PEG-Anlage nur unter Vollnarkose und Beatmung über einen Schlauch in der Luftröhre mit entsprechend höherer Komplikationsrate möglich war, kann inzwischen dank spezieller Maskensysteme die PEG-Anlage häufig unter laufender Heimbeatmung, wie oben beschrieben, unter Lokalanästhesie erfolgen.
 

Sondenpflege

Nach der Anlage einer Ernährungssonde sollte vorsichtig nach einem zuvor individuell erstellten Ernährungsplan und nach Schulung des Patienten und seiner Angehörigen ein Kostaufbau erfolgen, d. h. die zugeführte Kalorienmenge über die PEG wird im Verlauf der ersten Tage langsam gesteigert. Wie bereits zuvor erläutert, sollte bei ALS-Patienten grundsätzlich eine hochkalorische Ernährung erfolgen. Dies gilt auch für die Ernährung über eine PEG, weshalb in der Regel eine Tageskalorienmenge von mindestens 1500 kcal angestrebt wird.

Die Sonde sollte regelmäßig auf ihre Festigkeit und auf Entzündungen an der Einstichstelle über-prüft werden. Wichtig ist, dass die verschriebenen Medikamente auf ihre Sondengängigkeit über-prüft werden (Riluzol ist sondengängig). Verklebungen der Sonden sollten vermieden werden, da sonst eine erneute Magenspiegelung notwendig wird. Die Einstichstelle sollte täglich desinfiziert und verbunden werden.
 

Wann ist der richtige Zeitpunkt der Sondenanlage?

Studien haben gezeigt, dass die Ernährungssonde für die meisten Patienten keine Belastung darstellt, sondern die Lebensqualität häufig sogar positiv beeinflusst. Die Mobilität und tägliche Aktivitäten werden durch die PEG nicht beeinträchtigt.

Da eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes und der Atemfunktion mit einer höheren Komplikationsrate verbunden ist, wird im Falle einer Schluckstörung eine möglichst frühzeitige Anlage empfohlen. Spätestens dann, wenn aufgrund der Schluckstörung die Konsistenz der Nahrung verändert werden muss, das Gewicht nicht mehr konstant gehalten werden kann oder es zu häufigem Verschlucken kommt, ist die PEG-Anlage angezeigt. Eine sogenannte endoskopische Schluckuntersuchung kann bei der Beurteilung des Aspirationsrisikos und damit zur Entscheidung über den Zeitpunkt einer PEG-Anlage hilfreich sein. Hierbei wird der Schluckvorgang über eine kleine Kamera, welche per Schlauch über die Nase vorgeschoben wird, beobachtet.

Empfehlungen

  1. Bei jedem Arzt-Patienten-Kontakt sollte die Schluckfunktion und die Veränderung des Körpergewichts erhoben werden.
  2. Bei beginnender Schluckstörung, spätestens aber bei nicht stabilisierbarer fortschreitender Gewichtsabnahme, Änderung der Nahrungskonsistenz oder regelmäßigem Verschlucken, sollte eine PEG-Anlage erwogen werden.
  3. Nach vorsichtigem Kostaufbau sollte langfristig eine hochkalorische Ernährung über die PEG erfolgen.
  4. Insbesondere in den ersten Tagen nach der PEG-Anlage sollten die PEG-Einstichstelle und die Laborwerte auf Entzündungszeichen überprüft werden.