15.04.2022

Wacken Open Air (W:O:A) mit Handicap - waghalsiges Risiko oder gelungene Inklusion

Gruppe Musiker und Fans beim Festival

Konzert-, Zoo-, Restaurantbesuche und vieles mehr stellen Menschen mit Handicap oft vor große Herausforderungen. Barrierefreiheit ist häufig nicht gegeben und diese Personen werden somit in vielen Bereichen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Wie kommt man dann auf die Idee nach Wacken zu einem der größten Heavy-Metal-Festivals zu fahren?

Weil W:O:A anders ist. Es bietet einen speziellen, abgeteilten Campingbereich für Personen mit Handicap, die „Wheels of steel area“. Trotz des Namens, sind dort alle Personen willkommen, die eines der folgenden Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis nachweisen können G, aG, B, H, BL. Zudem dürfen Metalheads mit Behinderung max. vier Freunde (ein Fahrzeug) auf die Wheels of Steel Area mitnehmen, um dort zu campen. In diesem Bereich befinden sich mehrere barrierefreie Dusch-/ WC-Container und behindertengerechte Mobiltoiletten. Für das bessere Vorankommen mit Rollstuhl, Rollator etc. sind einige Wege mit Platten ausgelegt. Der Haupteingang zu den Bühnen „Faster“, „Harder“ und „Louder“ befindet sich gegenüber der „Wheels of steel area“, so dass kurze Wege zu den drei Hauptbühnen möglich sind. Zwischen zwei der Äcker, die für das Festival genutzt werden, verläuft eine Straße und Personen mit Rollstuhl oder Rollator dürfen die Abkürzung über diese Straße nutzen und müssen nicht den Umweg über den Acker machen. Auf dem W:O:A Gelände stehen neben normalen auch behindertengerechte Toiletten zur Verfügung. Vor den Hauptbühnen befinden sich Podeste, die vom Rollstuhl oder Rollator eine großartige Sicht auf die Bühnen ermöglichen. Personen mit einem „H“ im Schwerbehindertenausweis können diese Podeste ebenfalls nutzen. Am Fuße jeden Podestes stehen behindertengerechte Mobiltoiletten. Begleitpersonen dürfen – sofern es der Andrang erlaubt – mit auf diese Erhöhungen.

Beim „Meet and Greet“ mit den Bands wird dafür gesorgt, dass Personen im Rollstuhl oder Rollator gute Sicht haben und Absperrungen werden für ein Autogramm oder Selfie mit dem Star unkompliziert und schnell an die Seite geräumt.

Für einen Besuch am W:O:A benötigt man ein ganz normales W:O:A Ticket. Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen „B“, dürfen eine Begleitperson kostenlos mitnehmen. Wichtig zu bedenken ist, dass das Festival auf einem Acker stattfindet. Dieser kann bei Regen matschig werden und auch an anderen Stellen kann es notwendig sein, dass trotz aller Vorkehrungen Unterstützung durch die Begleitperson nötig sein könnte. Die Begleitperson sollte deswegen in der Lage sein zu helfen, wenn man beispielsweise mit dem Rollstuhl im Schlamm stecken bleibt.

Was W:O:A besonders anders macht und von anderen Festivals abhebt, ist der Servicepoint in der „Wheels of steel area“. Für diesen Servicepoint war in diesem Jahr „Alsterarbeit“ (www.alsterarbeit.de) verantwortlich. „Alsterarbeit“ war mit 50 Ehrenamtlichen – mit und ohne Handicap – vor Ort und stellte in seinem Servicepoint auf dem „Wheels of steel area“ einen großartigen Service zur Verfügung. Elektrische Rollstühle konnten aufgeladen werden, das Ausleihen von Rollstühlen und Rollatoren und kleine Reparaturen an den Hilfsmitteln waren möglich, kühlpflichtige Medikamente, konnten (nach vorheriger Anmeldung) im Kühlschrank des Servicepoints gelagert werden. Der Servicepoint war mit einer Therapieliege ausgestattet, auf der die Menschen mit Handicap Hilfe durch einen Physiotherapeuten erhalten konnten. Im Vorfeld konnte bereits einiges per Telefon und E-Mail abgeklärt werden und die Mitarbeiter von „Alsterarbeit“ versuchten umzusetzen, was möglich ist.

Selbstverständlich gibt es noch Punkte, die verbessert werden müssen. Dazu gehören u.a. eine Stromversorgung für die Camper auf der „Wheels of steel area“, damit z.B.  Personen mit (nächtlicher) Beatmung nicht ausgeschlossen werden, für Personen mit Sehbeeinträchtigungen muss bessere Unterstützung und geeignete Beschilderungen erfolgen und es braucht mehr barrierefreie Dusch- und WC-Container, bzw. behindertengerechte Mobiltoiletten, sowohl in der „Wheels of steel area“, als auch auf dem gesamten Gelände.

Mein Fazit: W:O:A setzt Inklusion in vielen Bereichen bereits sehr gut um und macht dadurch den Besuch des Festivals – auch für Personen mit Handicap – zu einem unvergesslichen Erlebnis.