02.05.2022

Untersuchung des peripheren Nervensystems mittels Neurosonographie, Elektrophysiologie und Histologie im SOD1G93A Mausmodell der Amyotrophen Lateralsklerose

DGM-Newsletter 02/2022

In dem letzten Jahrzehnt wurden mehrere Studien veröffentlicht, in denen Veränderungen der peripheren Nerven bei Patienten, die an Amyotropher Lateralsklerose (ALS) leiden, mittels Ultraschall (sonographisch) dargestellt werden konnten. In der Großzahl der Studien wurde die Querschnittsfläche („cross-sectional area“ (CSA)) verschiedener Nerven im Vergleich zu gesunden Kontrollen oder über die Zeit des Krankheitsverlaufs analysiert. Meist zeigte sich für die ALS-Patienten eine Verringerung der CSA. Schreiber und Kollegen konnten jedoch einen inflammatorischen Subtyp von ALS-Patienten mit einer vergrößerten CSA ausmachen, der in Zusammenhang mit SOD1-Mutationen zu stehen schien. Hierauf aufbauend analysierten wir in der aktuellen Studie sonographisch den Ischias-Nerv im SOD1-Mausmodell der ALS. Die hieraus resultierenden Ergebnisse wurden vergleichend zu Standarduntersuchungen in diesem Tiermodell analysiert: Motorische Tests (Rotarod-, Hanging wire-, Footprint-Test), Phänotypische Daten (Bewegungsscore, Körpergewicht, Körpertemperatur), Elektroneurographie  (motorische Amplitude, Latenz, Nervenleitgeschwindigkeit) sowie histologische Untersuchungen des Nerven (Quantifizierung der normalen und abnormalen Fasern, axonaler Durchmesser/ Durchmesser der myelinisierten Fasern (g ratio), Morphologie der unmyelinisierten Fasern des Rückenmarks (Anzahl der Motoneurone, Astrozytose, Mikrogliose)) und des Musculus gastrocnemius (Zustand der neuromuskulären Endplatten). Auch sollen die Ergebnisse molekularbiologischen Analysen gegenübergestellt werden.

Die Auswertung der sonographischen Daten zeigte Veränderungen im ALS-Tiermodell. Wir konnten eine Verminderung des Nervendurchmessers bei den transgenen Tieren im Vergleich zu Wildtyp-Tieren des gleichen Alters im Verlauf der Erkrankung feststellen. Zudem untersuchten wir die Dicke zweier Muskeln der hinteren Extremitäten und deren Echointensität. Auch hier war ein signifikanter Unterschied zu detektieren. Die transgenen Tiere zeigten eine verminderte Muskeldicke und eine erhöhte Echointensität verglichen mit den Kontrollen. Die sonographischen Veränderungen korrelieren mit den herkömmlichen Methoden, die zur Untersuchung dieses Tiermodells eingesetzt werden (Motorische Tests, Phänotypische Daten, Elektroneurographie) und sind zeitgleich, zum Teil sogar schon früher detektierbar. Somit können Ultraschallmessungen als sensitive und vor allem nicht-invasive (prä-) klinische Biomarker des Krankheitsverlaufes eingesetzt werden. Für präklinische Therapiestudien in ALS-Mausmodellen ist ein Verlaufsmarker, der möglichst frühzeitig erste krankheitsbedingte Veränderungen und ein mögliches Ansprechen auf therapeutische Interventionen anzeigt, in höchstem Maße wünschenswert. Mittels der Elektrophysiologie ist eine Veränderung im Vergleich transgener Tiere zu Kontrollen schon vor den sichtbaren Symptomen zu detektieren. Durch unsere Untersuchungen konnten wir zeigen, dass mittels Sonographie eine sensitive nicht-invasive Detektion von krankheitsspezifischen Veränderungen bereits vor klinischen Symptomen der Erkrankung möglich ist. Hieraus könnte sich auch für künftige Untersuchungen in Patienten mit ALS eine Weiterentwicklung der klinischen Diagnostik und der Verlaufsbeobachtung in klinischen Studien ergeben. Die sonographischen Daten wurden weiter mit einer breit angelegten Auswertung diverser Grauwertanalysen untersucht. Unterschiede ergeben sich hier vor allem über den zeitlichen Verlauf der Untersuchungen.

Die histologischen Untersuchungen der Nerven der Tiere ergaben, dass zum Ende der Erkrankung (19 und 22 Wochen) vermehrt abnormale Fasern vorliegen. Der Axondurchmesser nimmt im Verhältnis zur Myelindicke im späteren Verlauf ab. Für den spätesten Untersuchungszeitpunkt wurde eine vermehrte Demyelinisierung festgestellt.

Wenige Daten müssen noch ausgewertet werden und mit den bisherigen Daten in Kontext gesetzt und korreliert werden. Die im Rahmen des Projektes gewonnenen Erkenntnisse werden zeitnah für eine Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift vorbereitet.

Prof. Dr. med. Susanne Petri (Hannover)
Dr. rer. nat. Nadine Thau-Habermann (Hannover)
Prof. Dr. Stefanie Schreiber (Magdeburg)