12.11.2022

Thementag „Umgang mit der CMT unter psychologischen Gesichtspunkten – Wege der Krankheitsbewältigung“

Im Zentrum des Onlinetreffens der CMT-Diagnosegruppe am 12. November 2022 stand die Frage, wie wir mit unserer Krankheit und ihrem fortschreitenden Verlauf tatsächlich umgehen und vor allem, wie wir am besten damit umgehen sollten.  Referent war Moritz Ehrlich von der Reha-Klinik Hoher Meißner (Bad Sooden-Allendorf), an der er als Psychologe beratend tätig ist. In seinem klar strukturierten Vortrag erklärte er zunächst nachvollziehbar die Grundlagen des komplexen Prozesses, den jeder Versuch, eine Krankheit zu „bewältigen“ darstellt.  Im zweiten Teil ging es um die sinnvollen, aber auch um die gefährlichen, weil dysfunktionalen Strategien der Bewältigung von Krankheit. Ehrlich beließ es nicht nur bei der Theorie, sondern gab konkrete Tipps für den Alltag. Den Vortrag finden Sie unten im Anhang.

In der anschließenden „Sprechstunde“ kamen konkrete Fragen und einige „heiße Eisen“ zur Sprache, die nicht nur vom vortragenden, diplomierten Experten, sondern auch von den reichlich vorhandenen praktizierenden Experten, d. h. den Betroffenen, diskutiert wurden. Ein zentraler Punkt war die Frage nach der angestrebten Akzeptanz der Krankheit und wie sie zu erreichen sei. Ziel müsse dabei v. a. sein, sich nicht in Hass hineinzusteigern, sondern Gelassenheit zu lernen, damit z. B.  die Annahme von Behandlungen und Therapien zum Erhalt der Lebensqualität beitragen könne.

Vielfach betont wurde das Prinzip der Selbstverantwortlichkeit und die Notwendigkeit, seine eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu vertreten. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, wie man mehr Geduld mit sich selbst und mit dem zunehmenden Verlust der körperlichen Fähigkeiten haben könne -  wenn sich doch die Persönlichkeit unverändert anfühle. Ehrlich erläuterte, dass der geduldige Pol der Persönlichkeit den ungeduldigen Pol besänftigen könne: Was würde das geduldige dem ungeduldigen Ich sagen?  Diese Ich-Botschaften könne man aufschreiben und gut sichtbar aufhängen. Eine Zuhörerin mit langer Lebens- und Leidenserfahrung betonte, dass es im Laufe der Krankheit sinnvoller sei, sich neue Aktivitäten zu suchen als den verlorenen Tätigkeiten nachzutrauern.

Ein wichtiges Anliegen brachten die Eltern von betroffenen Kindern auf: Wie kann man seine Kinder beim Umgang mit der Krankheit unterstützen und sie vor Irrwegen bei der Bewältigung bewahren. Was tun, wenn die Kinder selbständig ihre Krankheit durch schulischen Ehrgeiz (über)kompensieren? Allgemein wurde geraten, dass die Eltern vermitteln müssen, welche anderen Bereiche im Leben auch wichtig und sinnstiftend sind.  (Stichwort: Selbstwertgefühl). Sollte man Kindern die Diagnose vorenthalten? Das wurde allgemein als nicht gangbarer Weg gewertet. Ein offener Umgang ist der Tabuisierung vorzuziehen. Man war sich weitgehend einig, je früher die Erziehung zur Selbständigkeit beginne, umso größer sei die Chance ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. 

Dr. Jörg Bank