27.11.2023

DM-IMT-Kontrollierte randomisierte, dreiarmige Interventionsstudie zur Sicherheit und Effektivität des regelmäßigen Atemmuskeltrainings bei Patienten mit Myotoner Dystrophie Typ 1

4 Diagramme zur Einatemkraft und dem Training

Erste Ergebnisse dieser von der DGM geförderten klinischen Studie wurden veröffentlicht Die autosomal-dominat vererbte Myotone Dystrophie Typ 1 (DM1) zählt zu den häufigsten Muskelerkrankungen des Erwachsenenalters Im Krankheitsverlauf entwickeln viele Patienten neben einer Schwäche der Extremitätenmuskeln – hauptsächlich der Fingerbeuger und Fußheber – auch eine relevante Atemmuskelschwäche, die unbehandelt zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität mit ausgeprägter Tagesmüdigkeit, Kopfschmerz, unerholsamem Schlaf und aufgrund eines abgeschwächten Hustenstoßes auch zu häufigen Lungeninfektionen und vorzeitigem Tod führen kann Bisher gibt es keine ursächliche Therapie. Die Therapieoptionen sind daher symptomatisch zur Symptomlinderung, Verbesserung der Lebensqualität und Verhinderung von Komplikationen.

Am Friedrich-Baur-Institut führten wir eine klinische Studie zur Therapie der Atemmuskelbeteiligung bei Patienten mit DM1 durch Es ist die erste klinische Studie, die den Effekt eines Atemmuskel-Krafttrainings und eines Atemmuskel-Ausdauertrainings gegenüber einer Kontrollgruppe vergleicht.

Das Training der Atemmuskulatur wurde nach Einweisung und Anleitung selbständig zu Hause mit dem Respifit S ® Trainingsgerät durchgeführt, das (a) ein Kraft- und Ausdauertraining für die Atemmuskulatur ermöglicht, (b) die Einstellung eines Patientenindividuellen Atemwiderstands erlaubt, (c) dem Patienten eine Rückmeldung über die Anzahl der erfolgreichen und nicht erfolgreichen Trainings gibt und (d) das Auslesen von Trainingsberichten ermöglicht, um die Trainingswirksamkeit durch den Therapeuten zu bewerten und ggf. das Training anzupassen. Das Training umfasste 10-15min (mit zwischenzeitlichen Pausen) an fünf Tagen pro Woche. Zur Beurteilung der Trainingseffekte wurde während der 9-monatigen Studiendauer regelmäßig die Atemfunktion erhoben (forcierte Vitalkapazität, FVC; Maximales Minutenvolumen, MVV; Maximale Einatemkraft, MIP; und Maximale Ausatemkraft, MEP). Des Weiteren wurden u.a. der 6-Minuten-Gehtest sowie Patientenfragebogen zur Atemfunktion ausgewertet.

Insgesamt nahmen – trotz zwischenzeitlicher Einschränkungen durch die Corona-Pandemie – 26 Patienten an der Studie teil. In den Untersuchungen der Atemfunktion zeigten sich nach neun Monaten Training zum Teil hervorragende Verbesserungen: Patienten in der Atem-Kraftgruppe konnten die FVC zwar „nur“ um 1,2 % steigern, jedoch waren das Atemminutenvolumen – einem Maß für die Ausdauerfähigkeit – um 12,8 % sowie die Einatemkraft um 76,8 % deutlich verbessert. Die Ausdauer-Gruppe erreichte einen Zuwachs in der FVC von 6,6 %, im Atemminutenvolumen einen deutlichen Zuwachs von 56,2 % und in der Einatemkraft eine ebenfalls deutliche Verbesserung von 66,1% Die 6-Minuten-Gehstrecke als Maß für die muskuläre Ausdauer war ebenfalls in beiden Gruppen nach dem Atemmuskeltraining verbessert. In der Kontrollgruppe waren lediglich geringe Verbesserungen der Atemfunktion zu verzeichnen (FVC +1,7 %, MVV +5,6 %, MIP +10,5%). Im 6-Minuten Gehtest verschlechterten sich die Patienten um -1,8 %. Die beiden Patientenfragebögen, die sich mit Atemsymptomen beschäftigen (Epworth Sleepiness Scale und Respicheck) waren in den Therapiegruppen gering verbessert. In den allgemeinen Fragebögen gaben die meisten Patienten an, von dem Training profitiert zu haben und ein verbessertes Allgemeinbefinden zu verspüren und es traten keine Nebenwirkungen auf. Das Training konnte von den meisten Patienten während des Alltags gut bewältigt werden.

Trainingsprogramm: Anzeige und Auswertung

Die Verbesserung wichtiger Lungenfunktionsparameter nach dem Training und die berichteten positiven Effekte auf Leistungsfähigkeit im Alltag sowie das Fehlen relevanter Nebenwirkungen sprechen für die Sinnhaftigkeit eines regelmäßigen Atemmuskeltrainings bei Patienten mit DM1 und Atemmuskelschwäche. Inwieweit ein Ausdauer- oder Krafttraining „besser“ ist, kann anhand dieser Untersuchung nicht abschließend beantwortet werden. Beide Trainingsarten aber sind sicher und effektiv, so dass beide Therapieformen für Patienten mit DM1 und Atemmuskelschwäche geeignet sind.

Die Studie zum inspiratorischen Atemmuskeltraining bei DM1 (DM-IMT) wurde von der DGM finanziell gefördert. Zwischenergebnisse wurden auf dem DGM-Kongress im Februar 2017
vorgestellt. Ein erster Teil dieser Auswertung wurde in der Fachzeitschrift „Neuromuscular disorders“ publiziert:
Heidsieck E, Gutschmidt K, Schoser B, Wenninger S Suitability of the Respicheck questionnaire and Epworth sleepiness scale for therapy monitoring in myotonic dystrophy type 1.
Neuromuscul Disord 2023 Aug 25:S0960-8966(23)00707-1. doi: 10 1016/j nmd 2023 08 012Epub ahead of print PMID: 37690855.

Die Haupt-Publikation zu der Studie ist derzeit in Arbeit.
 

PD Dr. med. Stephan Wenninger

PD Dr. med. Stephan Wenninger
Oberarzt, Facharzt für Neurologie, Palliativmedizin