28.11.2023

Auszug aus dem Elternhaus: Selbstbestimmt Wohnen

Interview mit Laura Mench, Beraterin und Budgetbegleiterin für den Verein aktiv und selbstbestimmt e.V. in Berlin, zu ihren Erfahrungen beim Auszug aus dem Elternhaus.

Hallo, möchten Sie sich den Leserinnen und Lesern in ein paar Sätzen vorstellen?

Ich bin Laura Mench, lebe mit einer fortschreitenden Muskelerkrankung und arbeite als Beraterin und Budgetbegleitung für den Verein aktiv und selbstbestimmt e.V. in Berlin.

Welche Themenbereiche gehören zu einer Beratung?

Vor allem die Umsetzung der Versorgung mit Dienstleistern wie zum Beispiel Pflegediensten oder die Organisation des Arbeitgebermodells. Ein weiteres Thema ist das Finden einer barrierefreien Wohnung, die zu meinen Bedürfnissen passt.

Was sind die besonderen Herausforderungen, wenn man als junger Erwachsener mit körperlichen Einschränkungen eigenständig leben möchte?

Da gibt es eigentlich zwei große Dinge: Zum einen stellt sich die Frage: Welche zeitlichen und energetischen Ressourcen habe ich zur Verfügung, um mein eigenständiges Leben zu gestalten? Auf der anderen Seite spielen bei muskelkranken Menschen die Eltern oftmals eine große Rolle, da sie jahrelang die Versorgung übernommen haben. Dies kann für den Jugendlichen oder jungen Erwachsenen schwierig sein, wenn sie einen anderen Weg gehen wollen, als die Eltern vorgesehen haben.

Was haben Sie für Erfahrungen: Sind junge Erwachsene bei der Auszugsplanung voller Elan und Vorfreude oder ist diese auch mit Ängsten verbunden?

Das ist ganz unterschiedlich und kommt darauf an, ob sie alleine kommen oder auf Anregung der Eltern. Es gibt diejenigen, die wirklich sagen „So, ich bin jetzt 18 oder 21. Ich verschwinde jetzt. “ Die kommen dann auch mit klaren Vorstellungen, wie es sein sollte. Und dann gibt es noch diejenigen, die von den Eltern auf einen Auszug vom Elternhaus hingewiesen werden. Bei solchen Fällen gibt es dann auch mal Zweifel und es wird sich die Frage gestellt: „Will ich und kann ich das überhaupt?“

Welche Wohnformen werden Ihrem Eindruck nach am häufigsten gewählt?

Viele lassen sich zum Arbeitgebermodell beraten. Oft geht eigentlich alles in Richtung selbstbestimmtes Wohnen. Also wenn die Leute eine Wohngemeinschaft (WG) in Frage ziehen, sind das selbst organisierte und keine von einem Anbieter vorgegebene WG.

Also das gibt es auch, dass eine WG selbst organisiert wird?

Genau, aber da ist es dann so, dass es eher um das Arbeitgebermodell geht und darum, dass Menschen sich eine Wohnung suchen und zum Beispiel auf der Plattform „WG-gesucht“ Mitbewohner suchen, die auch eventuell keine Behinderung haben.

Brauche ich ein größeres Vermögen für einen Auszug aus dem Elternhaus?

Je nachdem wer der Kostenträger ist, ist es sogar besser, wenn kein Vermögen da ist. Wenn zum Beispiel nur die Eingliederungshilfe der Kostenträger ist, gibt es Vermögens- und Einkommensgrenzen. Dann muss man im Zweifel ein Teil der Kosten für die Assistenz selber tragen. Deswegen ist es eigentlich sogar besser, wenn kein Vermögen da ist, dann gibt es auch nichts, was bedacht werden muss, wenn die Assistenz beantragt wird.

Womit sollte eine Umzugsplanung gestartet werden? Welche Zeitspannen sollten nach Ihrer Erfahrung nach eingeplant werden?

Das ist tatsächlich ein spannendes Thema. Ich persönlich hab das so gemacht, dass ich schon ein Jahr vor meinem Auszug aus dem Internat angefangen habe, den Antrag auf Assistenz zu stellen. Diese Antragsarbeit vor dem eigentlichen Auszug kann sich über ein Jahr hinziehen und hat anfangs sogar etwas länger gedauert. Ich musste dann aus dem Internat raus, sodass ich zur Übergangszeit in einem Kinderhospiz war. Von dort aus habe ich meine Assistenten gecastet, die Wohnung fand ich dann schnell.