27.11.2023

Auszug aus dem Elternhaus: Das Leben hat so viel zu bieten

Interview mit Kinya Albertie zu ihrem Auszug aus dem Elternhaus.

Kinya Albertie

Hallo, möchten Sie sich den Lesern in ein paar Sätzen vorstellen?

Hallo zusammen, mein Name ist Kinya Albertie, bin 35 Jahre alt, ich wohne in Waldalgesheim in der Nähe von Mainz. Ich wohne alleine in meiner eigenen Wohnung aber meine Schwester wohnt im selben Haus direkt neben mir. Ich bin seit 2018 voll erwerbsgemindert und engagiere mich in der DGM. Vielen Dank, dass ich zu diesem wichtigen Thema etwas zu meinen Erfahrungen sagen kann.

Wie alt waren Sie beim Auszug von Zuhause?

Ich bin mit 21 Jahren Zuhause ausgezogen.

Was finden Sie positiv am „ohne Eltern wohnen“?

Alles! Naja, bis auf so „Erwachsenen-Sachen“ wie Rechnungen zahlen, die Steuer machen und so weiter. Die Liste ließe sich sicher fortführen 😉

Was bedeutet der Auszug für Ihr Lebensgefühl?

Für mich gehörte es einfach zum Erwachsenwerden dazu. Der Auszug hat mir Freiheit geschenkt und ich habe super viel über mich gelernt. Es ist einfach ein tolles Gefühl nach einem anstrengenden Tag in seine eigenen vier Wände nach Hause zu kommen. Ich möchte es nicht mehr missen!

Was waren die Vorteile als Sie Zuhause gewohnt haben?

Zuhause wurden wir in die Hausarbeit mit eingebunden und hatten bestimmte Aufgaben. Die Vorteile sind auf jeden Fall, dass man sich viel weniger Gedanken machen oder entscheiden muss. Man muss nicht so aufs Geld achten und kann machen was man möchte.

Wie haben Sie eine Wohnung gefunden? Wurde die Wohnung für Sie angepasst?

Meine erste eigene Wohnung habe ich über Bekannte gefunden. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch Strecken laufen und hatte bis auf eine Greifhilfe und ein paar Küchenutensilien keine Hilfsmittel, deshalb wurde die Wohnung nicht angepasst. In der Zwischenzeit habe ich auf den Elektrorollstuhl umgesattelt und wohne jetzt in einer barrierefreien und an mich angepasste Wohnung mit breiteren Türen, elektrischen Türen, einigen Hilfsmitteln und einer großen Dusche und weiteres mehr. Vieles davon war jedoch nur möglich, da meine Mama die Wohnung gekauft hat und die Hausbauer sehr zuvorkommend waren. Die Suche nach der Wohnung hat viel Zeit in Anspruch genommen.

Hatten Sie Bedenken vor dem Auszug? Was hat Sorgen bereitet?

Bei der ersten Wohnung hatte ich keine Bedenken, ich war voller Vorfreude. Bei meinem Umzug in meine jetzige Wohnung gab es natürlich mehr zu beachten im Vorfeld. Ich wusste, dass die Suche nach barrierefreiem Wohnraum schwer werden würde. Da gab es die Sorge, ob wir überhaupt eine Wohnung finden, wie barrierefrei sie ist und ob ich mir diese leisten können würde.

Wie haben Ihre Eltern reagiert, als Sie ihnen von den Auszugsplänen erzählt haben? Hatten sie vielleicht Bedenken?

Meine Mama hat meine Schwester und mich immer ermutigt und gefördert, selbstständig zu sein. Für mich war klar, dass ich auf jeden Fall umziehen wollte. Dabei wurde ich komplett von meiner Mama unterstützt. Wahrscheinlich hatte meine Mama Bedenken, aber dadurch, dass ich immer nur ungefähr 20 Minuten entfernt gewohnt habe, war die Unterstützung nie weit weg.

Leben Sie mit Unterstützung oder persönlicher Assistenz? Klappt das gut im Alltag?

Ich lebe größtenteils alleine, aber ich werde täglich von einem Pflegedienst sowie von meiner Schwester als Pflegeperson betreut. Auch meine Mama unterstützt mich viel. Alle zwei Wochen kommt meine Putzfee. Daran, dass alles so gut klappt, hat meine Schwester einen sehr großen Anteil.

In Zukunft möchte ich gerne das persönliche Budget beantragen und meine Pflege durch persönliche Assistenz selbstbestimmt organisieren.

Was möchten Sie zum Abschluss anderen jungen Leuten oder Eltern sagen?

Den jungen Leuten möchte ich mitgeben: Traut Euch, das Leben hat so viel zu bieten und ein Auszug von Zuhause ist eine tolle Erfahrung. Ein Auszug muss auch nicht heißen, weit weg zu ziehen oder dass man ganz auf sich gestellt ist, je nach Wohnsituation kann man gegebenenfalls einen eigenen Bereich mit eigenem Eingang im elterlichen Haus haben. Man kann alleine oder in einer Wohngemeinschaft wohnen – mit der richtigen Unterstützung ist das möglich!

Und den Eltern möchte ich sagen, dass es so wichtig für die eigene Entwicklung ist, wenn die Eltern unterstützen und dem Kind mit Rat und Tat zur Seite stehen. Kommuniziert eure eigenen Bedenken aber sucht nach Lösungen. Informiert Euch gemeinsam und findet raus, wie ein Auszug läuft und was es für Möglichkeiten gibt. Macht euren Kindern keine Angst vor einem Auszug, sondern macht eure Kinder fit fürs Leben – eine Behinderung steht einem selbstbestimmten Leben nicht im Wege.