08.02.2024

Das Thema Ernährung spielt in unseren Sprechstunden eine wichtige Rolle

Stefanie Rosenbaum-Fabian und Chiara Falanga, Ernährungsberaterinnen am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin in Freiburg und Dr. Sebastian Friedrich, Facharzt an der Klinik für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen in Freiburg beantworten unsere Fragen aus der Kindermuskelsprechstunde.

Wenden sich Eltern oder Jugendliche mit Fragen rund um das Thema Ernährung an Sie?

Das Thema Ernährung spielt in unseren Sprechstunden eine wichtige Rolle. Relevant wird es zum Beispiel, wenn im Rahmen einer Steroidtherapie bei Muskeldystrophie Duchenne eine Gewichtszunahme auftritt, als Nebenwirkung, oder auch aufgrund der eingeschränkten Mobilität, und es dann darum geht dem entgegenzuwirken. Vor allem in fortgeschrittenen Krankheitsstadien kann aber auch Untergewicht ein Thema sein. Teilweise kommen rund um den Zeitpunkt der Diagnosemitteilung auch Fragen, ob es spezielle Ernährungsempfehlungen für bestimmte Muskelerkrankungen gibt.

Gibt es denn für Kinder und Jugendliche mit einer neuromuskulären Erkrankung Ernährungstipps, die von den allgemeinen Empfehlungen abweichen?

Für alle Kinder und Jugendlichen mit einer eingeschränkten Mobilität sind der Erhalt der Knochengesundheit und ausreichende Flüssigkeitsaufnahme besonders wichtig. Daher raten internationale Leitlinien in diesem Fall zu einer Kalzium-reichen Ernährung und zum Zusatz von Vitamin D. Ausreichende Flüssigkeitszufuhr hilft, Verstopfung vorzubeugen. Ansonsten gibt es nach der aktuellen Datenlage und internationalen Empfehlungen keine speziellen Ernährungstipps für Kinder und Jugendliche mit einer neuromuskulären Erkrankung, hier ist noch mehr Forschung nötig. Daher geben wir auch keine speziellen Empfehlungen, sondern beraten anhand der allgemein gültigen Empfehlungen für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung im Kindes- und Jugendalter. Da es keine allgemein gültigen Ernährungstipps für Kinder und Jugendliche mit neuromuskulärer Erkrankung gibt, orientieren wir uns an den allgemeinen DACH-Empfehlungen (DACH = Deutschland, Österreich und die Schweiz) beziehungsweise Empfehlungen zum OptimiX des Forschungsdepartments für Kinderernährung in Bochum.

Gibt es aktuelle Empfehlungen bezüglich der Menge an Süßgetränken und Süßigkeiten die Kinder und Jugendliche mit neuromuskulären Erkrankungen zu sich nehmen dürfen?

Entsprechend der oben genannten Empfehlungen sind geeignete Getränke für Kinder Wasser und ungesüßte Tees. Gesüßte Getränke zählen zu den Süßigkeiten und sollten nur selten und in kleinen Portionen zum Beispiel bei besonderen Anlässen getrunken werden. Für Süßigkeiten gilt: „Eine Portion am Tag ist erlaubt“. Eine Portion entspricht der jeweiligen Hand des Kindes.

Empfehlen Sie verschiedene Ernährungsformen wie beispielsweise vegetarisch oder vegane Ernährung für Kinder und Jugendliche im Allgemeinen? Gibt es bei neuromuskulärer Erkrankung andere Empfehlungen?

Wir empfehlen grundsätzlich eine vollwertige und abwechslungsreiche Ernährung für Kinder und Jugendliche. Wichtig ist es, dass Kinder und Jugendliche im Wachstum alle wichtigen Nährstoffe und eine ausreichende Energiezufuhr erhalten, um eine gute Entwicklung zu ermöglichen. Für neuromuskuläre Erkrankungen ist es umso wichtiger, auf eine ausreichende Zufuhr von Energie und Nährstoffen zu achten, aber grundsätzlich unterscheiden sich die Empfehlungen da nicht von den Empfehlungen für Kinder und Jugendliche ohne neuromuskuläre Erkrankung. Bei einer vegetarischen oder veganen Ernährungsform gilt es, insbesondere auf die Versorgung mit ausreichend Protein zu achten. Protein ist ein Hauptnährstoff und ist wichtig als „Baustoff“ für die Zellen, unter anderem auch für die Muskulatur. Gute Proteinlieferanten sind Milchprodukte, Ei aber auch Hülsenfrüchte und Nüsse sowie Sojaprodukte. Falls eine vegetarische Ernährungsform gewählt wird, soll auf eine ausreichende Eisenaufnahme geachtet werden, zum Beispiel durch Hülsenfrüchte oder andere pflanzliche Produkte. Das ist wichtig für eine ausreichende Bildung von Hämoglobin, des roten Blutfarbstoffs. Die Eisenzufuhr aus pflanzlichen Lebensmitteln kann durch die gleichzeitige Zugabe von Vitamin-C-haltigen Obstsorten und -säften deutlich gesteigert werden. Bei einer veganen Ernährungsform ist es entscheidend, auf die Zufuhr von Calcium, Eisen und Vitamin B12, sowie Omega 3 Fettsäuren zu achten. Vitamin B12 muss bei veganer Ernährung zwingend ergänzt werden. B12 ist unter anderem für die Blutbildung und die Gesundheit von Nervenzellen wichtig. Die Ergänzung von B12 kann über verschiedene Wege erfolgen. Häufig sind Familien und Jugendliche, die eine vegane Ernährungsform wählen, darüber schon gut informiert. Calcium kommt besonders in Milchprodukten oder in angereicherten Getreidemilchprodukten sowie calciumreichem Mineralwasser vor. Gute Omega 3-Fettsäurelieferanten sind Fisch, beziehungsweise hochwertige Pflanzenöle wie zum Beispiel Rapsöl, Walnuss-, Distel- oder Leinöl, die regelmäßig verwendet werden sollten. Wer sich hier informieren will, findet Ergebnisse zur Vechi-Studie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (www.vechi-youth-studie.de).

Beraten Sie zu Hilfsmitteln zum Essen und Trinken oder an wen können sich Familien wenden?

Eine spezifische Beratung zu Essen und Trinken können wir in Zusammenarbeit mit unserer Logopädin anbieten, zumindest was den Bereich des Schluckens angeht. Eine Beratung zu Hilfsmitteln erfolgt gemeinsam mit unseren Physiotherapeuten regelhaft im Rahmen der Muskelsprechstunde. Darüber hinaus können Familien sich auch an Sanitätshäuser wenden, die im Bereich der Hilfsmittel vor Ort eine kompetente Beratung anbieten.