18.08.2023

5. ALS-Informationstag in Bonn | Forschung, Behandlung, Versorgung

Am 18. August 2023 hatten das Universitätsklinikum Bonn (UKB) und das Deutsche Zentrum für Neurogenerative Erkrankungen (DZNE) in ihrer Gemeinschaftsveranstaltung zum fünften ALS-Informationstag nach Bonn eingeladen.

Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine bislang nicht heilbare neurodegenerative Erkrankung, welche hierzulande etwa 8.000 Menschen betrifft. Die Krankheit führt zu einer fortschreitenden Nervenlähmung mit vollständiger Beeinträchtigung bei Mobilität, Kommunikation, Ernährung und Atmung.

Die halbtägige Veranstaltung auf dem Bonner Venusberg stand wieder unter der bewährten Leitung und Moderation von PD Dr. Patrick Weydt (Leiter der ALS-Ambulanz am UKB) und wurde zeitgleich im Live-Stream auf YouTube übertragen. Es wurden die neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen im Bereich der Behandlung und Versorgung vorgestellt und ethische Fragen diskutiert.

In seiner Begrüßung würdigte Herr Dr. Weydt zunächst Bruno Schmidt (1965-2022), ALS-Patient und Gründer des Selbsthilfevereins „ALS - Alle Lieben Schmidt“. Des Weiteren stellte er das ALS-Ambulanzteam am UKB vor dankte den zahlreichen Sponsoren.

Im Anschluss referierte Prof. Dr. Susanne Petri (Medizinische Hochschule Hannover) zur sporadischen ALS. Dabei nannte sie neben den Symptomen auch den Beginn der Erforschung dieser Krankheit am Beispiel des US-amerikanischen Baseballspielers Lou Gehrig (gest. 1941). Sie zeigte die Schnittmenge zwischen ALS und FTD (= Frontotemporale Demenz) auf, erläuterte die Diagnosekriterien (nach El Escorial) und grenzte die symptomatische Therapie von der neuroprotektiven Therapie (Bsp. Riluzol) ab.

Danach gab Prof. Dr. Jochen Weishaupt (Universitätsmedizin Mannheim) einen Überblick über den Forschungsstand der genetischen ALS und stellte einige Studienergebnisse vor. Des Weiteren veranschaulichte er mögliche Ergebnisse einer genetischen Testung für Familienangehörige von an ALS Erkrankten.

Nach einer Pause erläuterte Herr Dr. André Maier (Charité Berlin) in seinem Vortrag zur symptomatischen Therapie und Versorgung die Grundsätze der ALS-Behandlung und nannte die drei Domänen, nämlich Verlängerung der Lebenszeit, Linderung von Symptomen und Erhöhung der Teilhabe. Zusätzlich zeigte er am Beispiel des Bewegungstrainers die Vorteile einer geräte-gestützten Physiotherapie auf. Als Abrundung nannte er die ALS-App zur Möglichkeit der Teilnahme an Forschung und Versorgung (ALS-Ambulanzpartner und ALS-Apothekenprogramm).

Anschließend berichtete Herr Dr. René Günther (Leiter der ALS-Ambulanz an der Universität Dresden) über die Spinale Muskelatrophie (SMA) und erläuterte die drei Phänotypen „non-sitter“, „sitter“ und „walker“. Neben den Therapiemöglichkeiten ist insb. die frühzeitige Diagnose im Neugeborenen-Screening entscheidend, denn hier gilt: Je früher die Behandlung beginnt, desto besser ist die Heilungschance.

Mit Prof. Neil Shneider, MD, PhD (Columbia University, New York, USA) war erstmals ein Referent aus dem Ausland vertreten. In seinem Vortrag „Novel Therapies for Ultra Rare ALS“ berichtete er über die ALS-Erkrankung der eineiigen Zwillingsschwestern Alex und Jaci Hermstad in den USA und den dabei gewonnen Erkenntnissen zur Entwicklung eines neuartigen Medikaments in Zusammenarbeit mit der Fa. Ionis Pharmaceuticals.

Ergänzt wurde dieser Vortag durch den sehr anschaulichen Erfahrungsbericht von Frau Sonja Kämpfer, deren Tochter Anna an dieser seltenen FUS-Mutation erkrankt ist und dank der Behandlung mit dem genetischen Medikament „Jacifusen“ (dessen Entwicklung durch die n-Lorem Foundation gefördert wird) zuversichtliche Therapieerfolge zeigt.

Der ALS-Informationstag wurde begleitet durch eine Hilfsmittelausstellung verschiedener Anbieter im Foyer, die auf reges Interesse der Anwesenden stieß. Ebenso war in gewohnter Weise der NRW-Landesverband der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM) durch unsere Landesvorsitzende Petra Hatzinger mit einem Informationsstand vertreten.

Schließlich gilt bei ALS: Niemand sollte sich trotz der schwierigen Umstände und Begleiterscheinungen allein gelassen fühlen, denn neben der ärztlichen Unterstützung in den ALS-Ambulanzen sowie den verschiedenen therapeutischen und psychologischen Versorgungsmöglichkeiten vor Ort sind insb. die ALS-Selbsthilfegruppen der DGM eine wertvolle Stütze zum gegenseitigen Austausch und Netzwerken für Patientinnen und Patienten und deren An- und Zugehörigen.

Als Fazit des 5. ALS-Informationstages in Bonn lässt sich festhalten, dass alle Anwesenden es bereichernd fanden, in persönlichen Gesprächen ihre Erfahrungen weiterzugeben sowie neue Kontakte herzustellen und wichtige Informationen mitzunehmen. Wer erstmals oder nachträglich den Live-Stream auf YouTube anschauen möchte, der findet hier die Aufzeichnung: https://www.youtube.com/watch?v=30aEVbc-aBk

 

Holger Burghoff

Diskussionsrunde
Frau Prof. Petri, Herr Prof. Shneider, Herr Dr. Weydt, Frau Kämpfer, Herr Prof. Weishaupt