Studie über "Schmerz bei neuromuskulären Erkrankungen"

Für eine Studie des Friedrich-Baur-Instituts an der LMU Klinik München haben wir interessierte Probandinnen und Probanden mit neuromuskulären Erkrankungen gesucht, um „nozizeptive Schmerzen“ oder auch „Muskelschmerzen“ zu untersuchen. Diese Schmerzen beeinträchtigen Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen stark und schränken ihre Lebensqualität in hohem Maße ein. Es wurden Patienten mit spinaler Muskelatrophie Typ 3 (SMA3), Morbus Pompe (LOPD), fazioskapulohumeraler Muskeldystrophie (FSHD), myotoner Dystrophie Typ 1 und 2 (DM1 und DM2) sowie Probandinnen einer gesunden Kontrollgruppe in die Studie eingeschossen.

In der Studie wurden die von den Patienten ausgefüllte Fragebögen über Schmerzen und Lebensqualität, die motorische Funktion, die Muskelkraft und die Muskelschmerzen (mit Hilfe eines Algometers, eines Geräts zur Messung der Druckschmerzschwelle) erfasst. Auch wurden die Muskeleigenschaften, z.B die Steifheit eines Muskels, mit Hilfe der nicht-invasiven Myotonometrie (ein Gerät namens MyotonPro) untersucht.

Diagramm zur Studie Schmerz bei neuromuskulären Erkrankungen

In der klinischen Studie sollten die Unterschiede in der Schmerzlokalisation und dem Schmerzvorkommen der sechs Untergruppen im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe ermittelt werden (Unterschiede in Schmerzhäufigkeit und Schmerzlokalisation sind in der Grafik verdeutlicht). Unter den Patientinnen variierten die Schmerzen erheblich, wobei DM2- und FSHD-Patienten mehr und stärkere Schmerzen aufwiesen als die anderen Untergruppen und die Kontrollgruppe.  Es zeigte sich, dass vor allem Frauen mehr Schmerzen aufwiesen als Männer. Auch ein ein hohes Maß an „Fatigue“, welche mittels Fragebogen ermittelt wurde und auf Depression, Angst, Stress und eine eingeschränkte Lebensqualität hinweisen kann, steht im Zusammenhang mit Muskelschmerzen.  Es zeigte sich in der Studie außerdem, dass Patientinnen und Patienten mit niedrigen motorischen Funktionen, das heißt weniger Muskelkraft, einen eindeutigen Zusammenhang mit einer erhöhten Druckschmerzempfindlichkeit in Armen und Beinen aufwiesen. Die Auswertungen der Myotonometrie zeigten, dass weniger Muskelschmerzen in Verbindung stehen mit einem höheren Muskeltonus, eine höhere Steifheit und eine kürzere Entspannungszeit der Nackenmuskeln. Das verdeutlicht die Bedeutung des Muskeltonus für die Druckschmerzempfindlichkeit in den Nackenmuskeln.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein biopsychosoziales Modell der Schmerzentwicklung in die Therapie dieser Patienten miteinbezogen werden muss. Die Studie zeigt, dass der Einfluss emotionaler und psychologischer Faktoren wie Angst, Stress, Depression und Müdigkeit in der Entstehung von Muskelschmerzen nicht unterschätzt werden sollte. Dieses erweiterte Verständnis zeigt die Notwendigkeit eines interdisziplinären Ansatzes bei der Schmerzbehandlung von Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen, insbesondere bei weiblichen Patientinnen.  Weitere Informationen und Ergebnisse finden Sie in den Publikationen der Studie (siehe unten).

Anna Elena Sagerer (durchführende Versuchsleitung)

Leitung der Studie: Prof. Dr. med. Benedikt Schoser und Dr. med. Stephan Wenninger, Friedrich-Baur-Institut der LMU München

1.            Sagerer, E., et al., Nociceptive pain in adult patients with 5q-spinal muscular atrophy type 3: a cross-sectional clinical study. J Neurol, 2023. 270(1): p. 250-261, doi: 10.1007/s00415-022-11351-0.

2.            Sagerer, E., et al., Nociceptive Pain in Patients with Neuromuscular Disorders – A Cross-Sectional Clinical Study. Journal of Neuromuscular Diseases, 2024. Preprint: p. 1-12.