14.08.2025

Neuerungen in der GKV-Hilfsmittelrichtlinie: Was sich für Menschen mit Muskelerkrankungen ändert

Bild eines E-Rollis

Mit dem Ziel, komplizierte Prüf- und Genehmigungsprozesse durch die gesetzlichen Krankenkassen zu vereinfachen und eine schnellere Hilfsmittelversorgung zu ermöglichen, hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Februar die Änderung der GKV-Hilfsmittelrichtlinie beschlossen. Die geänderte Hilfsmittelrichtlinie ist am 16. Mai 2025 in Kraft getreten. Hier geben wir Ihnen einen ersten Überblick über die wichtigsten Neuerungen. 

Klare Definition von Behinderung

Die Richtlinie beschreibt jetzt genauer, wann eine Behinderung im Sinne der Versorgung vorliegt. Das erleichtert die Bewertung bei chronischen und fortschreitenden Erkrankungen wie ALS, Muskeldystrophie oder SMA.

Stärkung der Teilhabe

Hilfsmittel sollen gezielt Teilhabe fördern – also helfen, sich selbst zu versorgen, zu kommunizieren oder sich fortzubewegen. Ein Versorgungsanspruch besteht, wenn eine Behinderungsausgleich bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens notwendig ist und dadurch die selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe gefördert wird. Dies soll sicherstellen, dass die Versorgung stärker auf die individuellen Bedürfnisse und Lebensumstände ausgerichtet ist. 

Informationspflichten und Teilhabepläne 

Unter bestimmten Voraussetzungen können Versicherte die Erstellung eines Teilhabeplans durch die Krankenkasse beantragen. Dies soll helfen, die individuellen Bedarfe und Ziele des Patienten besser zu berücksichtigen und die Versorgung entsprechend zu planen.     

Zusammenarbeit mit dem Medizinischen Dienst 

Die Richtlinie beschreibt das konkrete Zusammenwirken des Medizinischen Dienstes mit den Versicherten und dem verordnenden Arzt bzw. der verordnenden Ärztin. So soll die Bedarfserhebung und anschließende Versorgung verbessert und sichergestellt werden, dass alle relevanten Informationen berücksichtigt werden. 

Konkrete Unterlagen zur Verordnung

Der verordnende Arzt oder die verordnende Ärztin können die Hilfsmittelverordnungen künftig durch weitere, konkretisierende Unterlagen ergänzen. Dies ermöglicht es, spezifische Bedarfe besser zu berücksichtigen und die Versorgung entsprechend anzupassen. 

Telemedizinische Verordnung möglich

Unter bestimmten Bedingungen kann ein Hilfsmittel auch im Rahmen einer Videosprechstunde oder eines Telefonats verordnet werden. Dies soll insbesondere für Patienten in ländlichen Gebieten oder mit eingeschränkter Mobilität den Zugang zu Hilfsmitteln erleichtern. 

Vereinfachung von Genehmigungsverfahren

Zur Beschleunigung der Bewilligungsverfahren sollen die Überprüfungsmöglichkeiten der Krankenkassen eingeschränkt werden. Dies soll insbesondere für Versicherte mit komplexen Versorgungsbedarfen gelten. Empfiehlt etwa ein Sozialpädiatrisches Zentrum oder ein Medizinisches Behandlungszentrum für Erwachsene mit schweren Behinderungen ein Hilfsmittel, darf die Krankenkasse nicht mehr standardmäßig den Medizinischen Dienst hinzuziehen. Vielmehr ist vorgesehen, dass die „Erforderlichkeit vermutet“ wird, wenn die beantragten Hilfsmittel vom dort tätigen Arzt innerhalb der letzten drei Wochen vor der Antragstellung empfohlen worden sind. 

Fazit

Wer mit einer neuromuskulären Erkrankung lebt, benötigt häufig individuelle, spezialisierte Hilfsmittel zur Mobilität, zur Beatmung oder für die Lagerung. Die neuen Regelungen sollen den Zugang zu diesen Leistungen durch weniger Prüfaufwand, schnellere Entscheidungen und eine stärkere Fokussierung auf die tatsächlichen Bedarfe verbessern. Besonders für Kinder und Jugendliche kann das entscheidend sein, da sich ihr körperlicher Zustand rasch verändert.

Noch bleibt abzuwarten, wie diese Änderungen ganz konkret umgesetzt werden und ob sie in der Praxis tatsächlich zu einer schnelleren und besseren Versorgung führen. Menschen mit einer Muskelerkrankung und ihre Angehörigen sollten sich über die neuen Regelungen informieren und ihre Rechte kennen, um von den Verbesserungen optimal zu profitieren. Nutzen Sie frühzeitig die Beratungsangebote der DGM oder von spezialisierten Zentren, wenn Sie eine komplexere Hilfsmittelversorgung benötigen. Diese können wertvolle Unterstützung und Informationen bieten. 

Kontakt
DGM-Hilfsmittelberatung
Sybille Metzger, Katarina Lissek
beratung@dgm.org
T 07665 9447 50

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA)

Der G-BA ist das oberste Entscheidungsorgan der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Er legt fest, welche medizinischen Leistungen (zum Beispiel Behandlungen, Untersuchungen oder Arzneimittel) von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden und sorgt dafür, dass die Qualität der Versorgung gewährleistet ist. Zu seinen Aufgaben gehören die Entwicklung von Richtlinien für Behandlungen, Bewertung neuer Arzneimittel und Therapien sowie Sicherstellung einer gerechten und effizienten Gesundheitsversorgung. 

Der G-BA setzt sich zusammen aus den Spitzenorganisationen der Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen sowie der Patientenvertretung. Die Patientenvertretung ist ein wichtiges Beteiligungsgremium innerhalb des G-BA. Sie sorgt dafür, dass die Perspektive von Patientinnen und Patienten in die Entscheidungen des G-BA einfließt. Auch die DGM wird von den offiziell für den G-BA maßgeblichen vier Patienten- und Selbsthilfeorganisationen (DBR, BAGP, DAG SHG, vzbv) regelmäßig zur Mitwirkung im G-BA benannt und beteiligt sich an relevanten Diskussionen.

Die Hilfsmittel-Richtlinie

Zur Sicherung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der gesetzlich Versicherten mit Hilfsmitteln beschließt der G-BA die Hilfsmittel-Richtlinie (gemäß § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 SGB V). Sie definiert die Anforderungen und Voraussetzungen für die Versorgung mit Hilfsmitteln sowie die Voraussetzungen für deren Verordnung durch Ärztinnen und Ärzte. Sie regelt, welche Produkte im Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Hilfsmittelverzeichnis) enthalten sind, welchen Anforderungen die Hilfsmittel in Bezug auf Qualität und Sicherheit genügen müssen und welche Kriterien für die Versorgung und Abgabe durch Leistungserbringer (zum Beispiel Sanitätshäuser) gelten. Die Richtlinie bestimmt auch, dass Hilfsmittel nur dann erstattet werden, wenn sie medizinisch notwendig und zweckmäßig sind.