Interview mit den Organisatoren des DGM-Kongresses 2025: "Es wird viele Highlights geben"

Dieses Jahr gibt es beim 27. Kongress des Medizinisch-Wissenschaftlichen Beirates der DGM vom 19. bis 21. März 2025 in Gießen eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen. Das zeigt sich auch in der Zusammensetzung der Kongressleitung. Zum ersten Mal teilen sich gleich drei Ärzte aus unterschiedlichen Fachdisziplinen der Justus-Liebig-Universität und UKGM Gießen die Organisation und Planung des Kongresses. Prof. Dr. med. Anne Schänzer, Oberärztin im Institut für Neuropathologie und Leitung Neuromuskuläres Labor, Prof. Dr. Heidrun Krämer-Best, Oberärztin Neurologie Leitung Schwerpunktbereich für Neurophysiologie und Neuromuskuläre Erkrankungen und Prof. Dr. med. Andreas Hahn, Oberarzt Kinderneurologie, geben im folgenden Interview erste Einblicke in Schwerpunkte und Highlights der interdisziplinären Tagung.

Experten aus verschiedenen Forschungsfachgebieten werden neue Erkenntnisse zur interdisziplinären Versorgung neuromuskulärer Erkrankungen vorstellen. Präzise Diagnostik und personalisierte Therapie bei neuromuskulären Erkrankungen sind wichtige Tagungsschwerpunkte. Wie kann das erreicht werden?
Anne Schänzer: Heutzutage kann man nicht mehr alle diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten bei den neuromuskulären Erkrankungen bis ins letzte Detail verstehen. Daher ist es wichtig, interdisziplinär eng miteinander zu arbeiten. In einem Team kommt man besser und schneller zu Lösungen für die Patienten. Eine strenge Trennung der Disziplinen ist da nicht zielführend.
In welchen Bereichen sind besonders spannende Vorträge und Diskussionen zu erwarten? Was sind die Highlights beim Kongress in Gießen?
Anne Schänzer: Unser Wunsch war es, auf dem Kongress möglichst viele Disziplinen, die sich mit neuromuskulären Erkrankungen beschäftigen, abzubilden und den Austausch untereinander zu fördern. Das spezielle Highlight mag für den einzelnen Besucher daher sehr unterschiedlich sein. Aber wir denken, dass für jeden etwas dabei ist und hoffen auf einen regen Austausch der Eindrücke und Erkenntnisse untereinander. Im Bereich der immunologischen Erkrankungen wie der Myositis hat sich in den letzten Jahren das Wissen der zu Grunde liegenden Mechanismen stark erweitert und es wurden neue Behandlungskonzepte entwickelt. Bei den neuen Therapien von genetischen Muskelerkrankungen erwarten wir die Ergebnisse von kürzlich abgeschlossenen Studien.
Heidrun Krämer-Best: Die interdisziplinäre Ausrichtung des Tagungsteams spiegelt sich auch in unserem Programm wieder. So kommen alle Teilnehmer vom Kliniker bis hin zum Grundlagenwissenschaftler trotz potenziell unterschiedlicher Interessen und Schwerpunkte sicherlich auf Ihre Kosten, Das breitgefächerte Programm spiegelt auch die Heterogenität der neuromuskulären Erkrankungen in all Ihren Fassetten wieder.
Andreas Hahn: Ja, bei den genetisch bedingten Muskelerkrankungen gibt es auch weiterhin in fast jährlichen Abständen neue behandlungsrelevante Erkenntnisse. Hier werden wir einige spannende Beiträge und Symposien haben.
Neuromuskuläre Erkrankungen bedeuten für die meisten Patienten immer noch den fortschreitenden Verlust der Bewegungsfähigkeit. Welche neuen Therapieoptionen gibt es? Welche Patienten können davon profitieren?
Anne Schänzer: Neuromuskuläre Erkrankungen kann man in erworbene, immunologische und angeborene, genetische Erkrankungen unterteilen. Bei beiden gab es in den letzten Jahren enorme Fortschritte in der medikamentösen Therapie. Auf der Tagung werden aber auch die nicht medikamentösen Therapien wir physikalische Therapien oder Logopädie vorgestellt, die ebenfalls einen sehr großen Stellenwert in der Behandlung der Patienten haben.
Heidrun Krämer-Best: In den letzten Jahren hat sich die Therapie neuromuskulärer Erkrankungen rasant weiterentwickelt. Gentherapien, Gene-Silencing Therapien und Enzymersatztherapien kommen bei den hereditären Erkrankungen zum Einsatz. Bei den immunologischen Erkrankungen wurden eine Reihe neuer Therapien zugelassen, welche die Behandlung bei einem relevanten Prozentsatz der bisher unzureichend behandelten Patienten verbessern beziehungsweise sogar optimieren. Im Prinzip ist bei einigen der neuromuskulären Erkrankungen in den letzten Jahren der Schritt von der Diagnostik und Krankheitsmonitoring hin zur Therapierbarkeit geglückt. Hiervon profitieren eine Vielzahl von Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen Krankheitsbildern.
Andreas Hahn: Wir haben für einige Erkrankungen wie die Spinale Muskelatrophie mittlerweile Medikamente, die bei frühem Einsatz das Potential haben, den Verlauf und die Prognose komplett zu verändern. Wir werden auch Beiträge haben, die sich mit der Kombination verschiedener Medikamente zur Steigerung der Effektivität beschäftigen

Das wissenschaftliche Programm der Tagung beleuchtet auch neue Methoden in neuromuskulärer Forschung und Diagnostik. Was ist neu und was bedeutet das für muskelerkrankte Patienten?
Anne Schänzer: In der diesjährigen Tagung war uns wichtig, klinische und therapeutische Aspekte mit diagnostischen Methoden und Grundlagenforschung in den Symposien zusammen zu bringen. Für eine exzellente Therapie sind eine präzise Diagnostik und das Verständnis der Pathogenese der Erkrankung entscheidend. In den letzten Jahren sind durch neue Technologien, viele neue diagnostische und therapeutische Methoden möglich.
Heidrun Krämer-Best: Eine exakte Diagnostik ist entscheidend für die Auswahl sowie den Erfolg der angestrebten individualisierten Therapie.

In den letzten Jahren wurden gentherapeutische Behandlungsansätze für die spinale Muskelatrophie entwickelt. Was ist inzwischen zur Dauer der Wirksamkeit und zu Nebenwirkungen bekannt?
Andreas Hahn: Für die Spinale Muskelatrophie liegen mittlerweile Verlaufsdaten für verschiedene gentherapeutische Medikamente über Zeiträume von fünf bis zehn Jahren vor. Bisher ist kein Wirkverlust zu erkennen. Auch die Nebenwirkungen sind erfreulicherweise gering und gut handhabbar.
Drei Tage lang werden in der Kongresshalle Gießen nationale und internationale Experten interdisziplinär zusammenkommen. Auf welche Tagungsschwerpunkte freuen Sie sich besonders? Was sind Ihre persönlichen Highlights?
Anne Schänzer: Ich denke, auf dem Kongress wird es viele Highlights geben. Es war eine besondere Gelegenheit, den Kongress selbst gestalten zu dürfen. Daher freue ich mich auf ganz viele unterschiedliche Vorträge. Wir haben einige Neuerungen eingebracht und ich bin sehr gespannt, wie das bei den Besuchern ankommen wird. Für die zwei Plenarsitzungen konnten wir hoch angesehene nationale und internationale Experten gewinnen, die uns auf den neusten Stand bringen werden. Wir haben uns sehr gefreut, dass alle von uns eingeladenen Redner und Vorsitzenden zugesagt haben. Als Neuropathologin war es mir besonders wichtig, klinische und therapeutische Aspekte, Diagnostische Möglichkeiten und Grundlagenforschung in den Symposien zusammen zu bringen, um dadurch die Vernetzung zu fördern. Denn das eine ist ohne das andere nicht erfolgreich. Neben den Inhalten der Tagung gefällt mir auch die Architektur der Kongresshalle sehr gut.
Man spürt die lange Tradition dieser Tagungsstätte und wird daran erinnert, wie viele Menschen hier schon eine tolle anregende Zeit verbracht haben, ob bei wissenschaftlichen Tagungen, Konzerten oder Tanzabenden. Leider versperrt immer noch der Bauzaun den Blick auf das Gebäude. Aber ich denke, dass die Besucher nicht abschreckt sind und sich in den Räumen sehr wohl fühlen werden.
Heidrun Krämer-Best: Ich kann mich Frau Schänzer hier anschließen. Die Skills Labs und die Young Investigator Workshops sollen verschiedenen Kompetenzen aus Klinik und Forschung an die jungen Kolleginnen und Kollegen vermitteln. Das wissenschaftliche Programm ist breit gefächert. Die beiden Plenarsitzungen werden sicher ein Highlight des Kongresses sein. Ich persönlich freue mich, dass auch das Phänomen ‚Schmerz‘, ein häufiges und oft therapeutisch herausforderndes Symptom bei neuromuskulären Erkrankungen einen wichtigen Stellenwert im Programm gefunden hat. Auch die Verbindung zu anderen Fachgesellschaften mit dem Ziel der besseren Vernetzung und Zusammenarbeit in der Zukunft sind im Programm gut platziert und werden sicher den weiteren Austausch anregen.
Andreas Hahn: Ich freue mich auch sehr auf die beiden Plenarsitzungen. Das werden sicherlich zwei Highlights sein. Daneben ist für mich aber auch immer der interdisziplinäre Austausch in den Pausen und während der Networking-Veranstaltungen von großem Interesse.
Welche aktuellen Diskussionen bietet der Patientenfachtag der DGM für Betroffene, Angehörige und neuromuskuläre Netzwerke?
Andreas Hahn: Die DGM-Kongresse leben davon, dass sie sowohl Betroffene als auch Forscher und Behandler zusammenführen. Das ist in dieser Art etwas Besonderes. Das gibt den Patienten das Gefühl, dass man sich um ihre Belange kümmert und ist für die Ärzte ein zusätzlicher Ansporn für ihre Forschung. Für mich sind beim Patientenfachtag die Themen Transition und Wandel von großer Bedeutung. Durch die neuen Therapien wird sich der Phänotyp vieler Erkrankungen verändern und Kinderneurologen und Erwachsenenneurologen müssen enger zusammenrücken und voneinander lernen. Nur so können wir unsere Patienten optimal behandeln.
27. DGM-Kongress in Gießen
Vom 19. bis 21. März 2025 werden in der Kongresshalle Gießen nationale und internationale Experten aus unterschiedlichen Disziplinen wie Neuropädiatrie, Neurologie, Neuropathologie, Humangenetik, Rheumatologie, Orthopädie, Rehabilitationsmedizin, Beatmungsmedizin, Palliativmedizin, Intensivpflege und Heilberufen zusammenkommen, neue Erkenntnisse präsentieren und diskutieren. Das Programm bildet den aktuellen Stand der Forschung, Diagnostik und Behandlung neuromuskulärer Erkrankungen über alle Altersstufen hinweg ab.
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