Schulungs- und Begegnungswochenende im Nationalpark Hainich
Es gibt Ereignisse, denen man immer wieder und schon lange im Voraus mit großer Freude und vielen positiven Erwartungen entgegenblickt. Zu diesen Ereignissen gehört für die Mitglieder des DGM-Landesverbandes Thüringen zweifelsfrei das Schulungs- und Begegnungswochenende, das seit rund 20 Jahren alle ein bis zwei Jahre durchgeführt wird. Am 3. Mai 2019 war es dann wieder so weit: Rund 35 von einer neuromuskulären Erkrankung betroffene Mitglieder und ihre Angehörigen fanden sich am Freitagnachmittag im „Schlosshotel am Hainich“ in der Gemeinde Hörselberg-Hainich (Wartburgkreis) ein.
Nachdem wir unsere Zimmer bezogen und in Ruhe ausgepackt hatten, trafen wir uns zur ersten gemeinsamen Veranstaltung. Nach der offiziellen Begrüßung durch den Vorsitzenden des Landesverbandes, Herrn Joachim Köhring, lud uns die Kunsttherapeutin, Frau Claudia Göckeritz vom Atelier „Kraftlinie“ aus Gera, zu einem interessanten Selbstversuch unter dem Motto „Jeder kann malen!“ ein. Sie leitete uns an, wie wir mit pulverisierter Pastellkreide in drei Farbtönen, Wattepads und einem Blatt Papier ein kleines Kunstwerk schaffen können. Am Anfang wusste niemand von uns so recht, wohin die Reise geht. Um so überraschender war das Ergebnis: Nach und nach entstanden Gemälde, die bei Betrachtung aus einiger Entfernung tatsächlich als Landschaften oder Pflanzen zu interpretieren waren. Insbesondere die männlichen Teilnehmenden konnten kaum glauben, wie viel künstlerische Kreativität in ihnen steckt. Es hat uns viel Freude bereitet und unsere „Kunstwerke“ durften wir mit nach Hause nehmen.
Nach dem Abendessen nutzten wir die zur freien Verfügung gestandene Zeit für den individuellen Erfahrungsaustausch. Der Landesverband hatte für das Wochenende zwei Assistentinnen engagiert, so dass der Bedarf an persönlicher Hilfestellung zu jeder Zeit abgesichert werden konnte. Dadurch konnten auch die Teilnehmenden, die ohne eigene Begleitperson angereist waren, bis in die Nacht hinein an der informativen geselligen Runde teilhaben und mussten sich nicht nach den Zeitvorgaben eines Pflegedienstes richten.
Am Samstagvormittag fanden wir uns zur Mitgliederversammlung ein. Der Landesvorsitzende Joachim Köhring informierte in seinem Rechenschaftsbericht unter anderem über die Arbeit des Vorstandes im vergangenen Geschäftsjahr, über aktuelle Arbeitsthemen des Landesverbandes sowie über die in naher Zukunft bevorstehenden Aufgaben, Ereignisse und Planungsschwerpunkte. Der Schatzmeister, Herr Thomas Hörnlein, legte seinen Finanzbericht vor. Der Vorstand wurde einstimmig entlastet.
Besonderes Interesse galt dem anschließenden Referat des Leiters des Zentrums für neuromuskuläre und Motoneuron-Erkrankungen an der Klinik für Neurologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Sprecher des Thüringer Muskelzentrums, Herrn PD Dr. med. Julian Großkreutz. Er stellte uns verschiedene Studien zu Therapieansätzen bei neuromuskulären Erkrankungen vor und berichtete über die bisherigen Erfahrungen seit der Zulassung für Spinraza zur Behandlung der 5q-assoziierten spinalen Muskelatrophie (SMA) in den USA und Europa. Auch an der Uni-Klinik Jena wird die Behandlung mit beachtlichen Erfolgen durchgeführt. Herr Dr. Großkreutz erläuterte anschaulich den Wirkmechanismus des Wirkstoffes Nusinersen und informierte über Perspektiven für die Behandlung der SMA. In einer Gegenüberstellung zeigte er weitere Therapieansätze wie die genetische Manipulation der Duchenne-Muskeldystrophie auf. Abschließend sprach Herr Dr. Großkreutz die aktuelle Situation der Therapiebegleitung und Erfolgsdokumentation an. Die zeitlichen Möglichkeiten hierfür sind für den Patienten und den Arzt gegenwärtig unbefriedigend und stehen nicht im Verhältnis zur aufwendigen und kostenintensiven Behandlung mit Spinraza. Um bessere Möglichkeiten zu eröffnen, wurde das Thüringer Muskelzentrum in diesem Jahr durch den Landesverband Thüringen finanziell unterstützt. Wir hätten den Ausführungen von Herrn Dr. Großkreutz gern noch länger gefolgt.
Trotz der ungünstigen Wetterprognose für den Samstagnachmittag ließen sich einige von uns nicht davon abbringen, an dem Ausflug in die nah gelegene Stadt Bad Langensalza teilzunehmen. Dank dem Behindertenfahrdienst der Johanniter erreichten wir Bad Langensalza trockenen Fußes und Rades. Die geführte Stadtbesichtigung startete im „Arboretum“ (Garten der Bäume). Zunächst war die klare, kühle und feuchte Luft dieses Sträucher- und Baumparks sehr angenehm und lud zum Durchatmen ein. Obwohl wir nicht zu einer Hauptblütezeit zu Gast waren, ließ sich die von der Stadtführerin bildlich beschriebene üppige Blütenpracht in diesem liebevoll und abwechslungsreich gestalteten Park leicht erahnen. Doch auch unsere Augen kamen nicht zu kurz: Uns boten sich immer wieder weiträumige Rabatten und Beete mit den letzten noch blühenden Tulpen. Tulpen sind aber nicht gleich Tulpen! Bei den hier blühenden Exemplaren handelte es sich um eine große Vielfalt an besonderen Züchtungen in allen denkbaren Formen und Farben, wie sie die meisten von uns bisher noch nicht kannten. Fast am Ende unserer Erkundung des Parks wurden wir dann doch noch von einem heftigen Regenschauer mit böigem Wind erwischt. Dank der mit dem Rollator und Rollstuhl gut begeh- und befahrbaren Wege konnten wir rasch Zuflucht in der 1734 bis 1739 erbauten Gottesackerkirche „St. Trinitatis“ finden, die sich auf dem Gelände des heutigen Arboretum befindet. Von unserer Stadtführerin erfuhren wir viel Interessantes zur Geschichte dieser Kirche. Anschließend begaben wir uns auf Erkundungstour durch die Altstadt von Bad Langensalza. Uns erwartete ein beeindruckendes und mit viel Liebe zum Detail aufwendig restauriertes historisches Stadtzentrum. Die freundliche und einladende Atmosphäre wurde durch die sich nun wieder durchsetzende Sonne unterstrichen und wir genossen die Wärme der Sonnenstrahlen. Unser Ausflug endete am späten Nachmittag im barrierefrei gestalteten Cafè & Restaurant „K3“. Der Fahrdienst brachte uns pünktlich zum Abend-Buffet in unser Hotel zurück. Auch diesen Tag ließen wir in offener geselliger Runde mit vielen guten Gesprächen ausklingen.
Die Zeit verging wieder einmal viel zu schnell und es war kaum zu glauben, dass wir in wenigen Stunden abreisen mussten. Doch zuvor gab es an diesem Sonntagvormittag ein weiteres Highlight: Zu Gast an diesem Wochenende war auch der zweimalige Weltmeister im Gedächtnissport Johannes Mallow aus Magdeburg. Er bereist die ganze Welt, um an internationalen Wettbewerben teilzunehmen. Die Reisen sind für ihn eine zusätzliche Herausforderung, denn er ist selbst von einer neuromuskulären Erkrankung betroffen und auf den Rollstuhl angewiesen. Mit großer Spannung und voller Wissensdrang freuten wir uns auf den Workshop mit Herrn Mallow. Zum Einstieg durften wir sein Können testen und er meisterte die von uns gestellten (nicht gerade leichten) Aufgaben mit Bravour. Systematisch aufbauend führte er uns an die Geheimnisse des „guten Merkens“ heran und zeigte uns Möglichkeiten zur Anwendung von so genannten Eselsbrücken. Am Ende des Workshops konnten wir nicht nur flink auf Chinesisch bis zehn zählen, sondern nahmen auch wertvolle Anregungen für unseren Alltag sowie für unsere ehrenamtliche Arbeit mit.
Sowohl Johannes Mallow wie auch die Kunsttherapeutin Claudia Göckeritz können für Seminare und Workshops gebucht werden. Bei Interesse stellt der DGM-Landesverband Thüringen gern die Kontaktdaten zur Verfügung.
Wir blicken auf ein sehr gelungenes Schulungs- und Begegnungswochenende 2019 in Behringen zurück und bedanken uns recht herzlich bei allen, die uns bei der Realisierung unterstützt haben. Ein ganz besonderes Dankeschön möchten wir unseren beiden Assistentinnen Frau Petra Schlechtweg und Frau Martina Stahlbock sowie dem Team des „Schlosshotels am Hainich“ gGmbH aussprechen. Wir wurden hervorragend versorgt, betreut und verköstigt. Sehr angenehm war auch die Atmosphäre und eine besondere Erfahrung, wie flexibel, zuvorkommend und umsichtig die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hotels und unsere Assistentinnen auf unsere individuellen Wünsche eingegangen sind. Hierfür würden wir ihnen gern einen besonderen Stern verleihen!
Ein ebenso herzliches Dankeschön gilt unserem Landesvorsitzenden Joachim Köhring für die sehr gute Organisation. Von einigen Teilnehmenden wurde der Wunsch geäußert, die zukünftigen Schulungs- und Begegnungswochenenden auf vier bis fünf Tage zu verlängern.
Das „Schlosshotel am Hainich“ können wir sowohl für Individualurlauber wie auch für Reisegruppen für einen barrierefreien Urlaub im Nationalpark Hainich und in der Wartburgregion sehr empfehlen. (Das Hotel verfügt auch über eigene Hilfsmittel.) In der näheren Umgebung gibt es zahlreiche Sehenswürdigkeiten und viel Sehenswertes zu entdecken.
Auch bei der Thüringer Ehrenamtsstiftung und der IKK classic möchten wir uns recht herzlich für die finanzielle Unterstützung bedanken, ohne die uns die Durchführung des Schulungs- und Begegnungswochenendes nicht möglich gewesen wäre.
Im Auftrag des DGM-Landesverbandes Thüringen
Bettina Bräsicke
Vorstandsmitglied