15.03.2014

Alternative und Naturmedizinische Behandlungsmöglichkeiten bei ALS

DGM-Newsletter 02/2014

Am 15. März diesen Jahres, fand im Neurozentrum des Universitätsklinikums Freiburg der 1. ALS- Fachtag des Interdisziplinären ALS Kompetenznetzes Freiburg statt. Bereits im Vorfeld erreichten uns Anfragen zum Vortrag von Herrn Dr. Huber (Uni- Zentrum Naturheilkunde), der alternative und naturmedizinische Behandlungsmöglichkeiten bei ALS vorstellte. Aufgrund des großen Interesses, war Herr Dr. Huber so freundlich uns eine Zusammenfassung seines Vortrages zur Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen:

Ca. 50 % der Patienten mit ALS setzen nach Umfragen sogenannte alternativmedizinische Therapieverfahren ein. Häufig werden Methoden angewendet, die die Nervenzellen vor oxidativem Stress schützen sollen (z. B. durch Gabe von Vitaminen A, B, C, D, E, Selen oder omega-3 Fettsäuren). Auch Mikronährstoffe die den Stoffwechsel von Nervenzellen verbessern sollen (z. B. Kreatin, Coenzym Q10, L-Carnitin), verschiedene Diäten und Ausleitung von Schwermetallen werden nicht selten angewandt. Ein Teil dieser Maßnahmen ist inzwischen in ihrer Wirksamkeit in Studien an Mensch oder Tier untersucht worden.

Selen, ein wichtiges Spurenelement mit antioxidativen Eigenschaften war in Kohortenstudien ein Risikofaktor für das Auftreten einer ALS (Vinceti M et al., Rev Environ Health. 2012) und hatte in Mäusen bei denen eine ALS künstlich ausgelöst wurde toxische Wirkungen auf Nervenzellen (Maraldi T. et al., Neurotoxicology 2011). Von der Einnahme von Selen, das sich häufig in Multivitaminpräparaten findet, ist daher nach dem jetzigen Kenntnisstand eher abzuraten.
Reichliche Zufuhr von omega-3 Fettsäuren mit der Ernährung, (z. B. durch Verzehr von viel Leinöl oder Fisch) reduzierte in einer Fall-Kontrollstudie das Risiko an ALS zu erkranken (Veldink JH et al., J Neurol Neurosurg Psychiatry 2007). In sehr hohen Dosen waren omega-3 Fettsäuren in Tierversuchen jedoch toxisch auf Nervenzellen (Yip PK et al., PLoS One 2013). Omega-3 Fettsäuren, die wie Selen starke Antioxidanzien sind, sollten daher bei ALS ebenfalls eher nicht in hohen Dosen als Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden.

Menschen mit einem höheren Serumspiegel an Vitamin E hatten in einer großen Kohortenstudie ein geringeres Risiko an ALS zu erkranken als Menschen mit niedrigem Vitamin ESpiegel. Vitamin E stellt somit möglicherweise einen gewissen Schutzfaktor gegen das Auftreten von ALS dar (Friedman D. et al., Amyotroph Lateral Scler Frontotemporal Degener. 2013).

Auch die Einnahme reichlicher Mengen von rotem Gemüse (z. B. Karotte, Tomate) die natürlich vorkommendes Vitamin A (Carotinoide) enthalten war in einer großen Studie mit einem geringeren Risiko für das Auftreten von ALS assoziiert (Fitzgerald KC et al., Ann Neurol 2013). Ob Vitamin E oder carotinoidreiche Ernährung etwas für Patienten bringt, die bereits an ALS erkrankt sind ist allerdings bisher unbekannt.

Kreatin ist eine Substanz die der Körper aus Aminosäuren bilden kann. Sie wird von manchen Sportlern zur Leistungssteigerung eingenommen, da sie für die Energieversorgung der Zellen wichtig ist. Kreatin war in einer Dosierung von 5g/Tag über neun Monate bei Patienten mit ALS unwirksam (Rosenfeld J. et al. Amyotroph Lateral Scler. 2008). Eine Einnahme ist daher für ALS-Patienten nicht sinnvoll.

Auch Coenzym Q10 (Ubichinon), das ebenfalls die Energieversorgung der Zellen verbessern soll, war in einer aussagekräftigen Studie bei ALS-Patienten unwirksam.
L-Carnitin, das unter anderem dafür sorgt, dass Fette besser von den Zellen aufgenommen und in Energie umgesetzt werden, war dagegen wirksam bei ALS: 82 Patienten nahmen entweder über zwei Jahre Riluzol plus Placebo oder Riluzol plus täglich drei Gramm L-Carnitin ein. Bei sehr guter Verträglichkeit hatten die Patienten, die das Nahrungsergänzungsmittel L-Carnitin einnahmen eine signifikant bessere Selbständigkeit als die Patienten der Placebo-Gruppe (Beghi E et al. Amyotroph Lateral Scler Frontotemporal Degener. 2013). Auch wenn diese eine Studie noch keine abschließende Beurteilung der Wirksamkeit zulässt, stimmen die Ergebnisse hoffnungsvoll. Risiken der Einnahme von L-Carnitin in der genannten Dosierung sind bisher nicht bekannt geworden.

Auch Vitamin D ist für die Behandlung der ALS interessant. Es wirkt als Gegenspieler zum Glutamat, das bei ALS eine schädliche Wirkung haben kann und führte bei ALS-Mäusen in hohen Dosen zu einer Funktionsverbesserung (Long KV, Nguyen LT. Mol Brain 2013).

Studien bei ALS-Patienten die die Einnahme von Vitamin D auf den Verlauf der Erkrankung untersuchten gibt es allerdings noch nicht. Weiterhin gibt es aus Tierversuchen mit ALS-Mäusen positive Ergebnisse für den Einsatz der ketogenen Diät. Ziel dieser Maßnahme ist eine Umstellung der Energieversorgung auf die Fettverbrennung anstatt der normalen Zuckerverbrennung. Die Mäuse die ketogen, d.h. weitgehend kohlenhydratfrei, ernährt wurden, hatten im Vergleich zu den normal ernährten Tieren einen besseren  Funktionserhalt und eine längere Überlebenszeit (Zhao Z. et al., BMC Neuroscience 2006). Auch hier müssen erst Studien am Menschen durchgeführt werden bevor ein sicheres Urteil über die Wirksamkeit gefällt werden kann.

Häufig wird die Naturheilkunde oder Alternativmedizin auch zur Verbesserung bestimmter Symptome von ALS-Patienten angewendet. Bei Schlafstörungen oder Ängsten können z. B. Aromatherapie (Lavendelsäckchen), entspannnungsfördernde Tees (z. B. Passionsblumentee), Entspannungsverfahren (z. B. Yoga, MBSR) oder auch Akupunktur erfahrungsgemäß wirksam sein. Bei Appetitmangel werden in der Naturheilkunde Bitterstoffe (z. B. Enzianwurzel, Artischockenblätter) und entblähende Tees (z. B. aus Kümmelfrüchten, Fenchelfrüchten) eingesetzt. Bei vermehrter Müdigkeit ohne andere Ursache kann ein Versuch mit sogenannten Adaptogenen (leistungsfördernden Mitteln) aus z. B. der Colanuss oder der Rosenwurz unternommen werden.

Über die genannten und mögliche weitere in Erprobung befindliche Maßnahmen der Naturheilkunde und Alternativmedizin unabhängig zu beraten ist ein wesentliches Anliegen des Uni-Zentrums Naturheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg. Durch das  interdisziplinäre ALS-Kompetenz Netz am Universitätsklinikum Freiburg in das auch die Naturheilkunde eingebunden ist, soll den Patienten eine optimale, auf den ganzen Menschen ausgerichtete Versorgung ermöglicht werden.